Laut Amnesty International ist die Liste der Menschenrechtsverletzungen in Österreich lang.  © pixabay.com (Design)
    Im heute veröffentlichten Internationalen Menschenrechtsbericht 2021/22 kritisiert Amnesty International unzureichende Sozialleistungen, beispielsweise unzureichende Ermittlungen bei Polizeigewalt, ungerechtfertigte Abschiebungen von Asylsuchenden und Diskriminierungsprobleme.       

„Die Politik muss endlich erkennen, dass wir nicht die Insel der Seligen sind“, warnt Annemarie Schlack, Geschäftsführerin von Amnesty International Österreich. Viele Probleme gibt es seit Jahren – aber die Politik hat nichts dagegen unternommen. Der Jahresbericht 2021/22 von Amnesty International umfasst 154 Länder, darunter auch Österreich.

Amnesty International veröffentlicht Bericht 2021/22

Der Bericht kritisiert unzureichende Sozialleistungen und fehlende Maßnahmen zur Bekämpfung der Wohnungslosigkeit. Das 2021 von sechs Bundesländern umgesetzte Grundversorgungsgesetz reicht nicht aus, um eine finanzielle Mindestsicherung und damit ein menschenwürdiges Leben zu gewährleisten. Reformbedarf besteht auch, um die Rechte der sogenannten „24-Stunden-Pflegekräfte“ in Österreich besser zu schützen. Insbesondere Zuwanderer werden schlecht bezahlt, arbeiten zu viele Stunden ohne Unterbrechung und haben aufgrund von Mehrfachdiskriminierung Schwierigkeiten beim Zugang zu Sozialleistungen. „Der neue Gesundheits- und Sozialminister Johannes Rauch hat das Thema Pflege und Armutsbekämpfung auf seine Agenda gesetzt – hoffentlich bleibt das nicht nur ein erstes Versprechen“, warnte Schlack.

“Lange Liste von Menschenrechtsverletzungen”

Auch amnesty international kritisiert die „unverhältnismäßigen Beschränkungen friedlicher Versammlungen“. Aufgrund der gesetzlichen Grundlage zur Bekämpfung der Coronavirus-Pandemie wurden bestimmte Konzentrationen verboten. In einigen Fällen urteilten die Gerichte in der Folge, dass die Verbote eine unverhältnismäßige Einschränkung des Rechts auf friedliche Versammlung darstellten. Auch Amnesty International fordert effektivere Ermittlungen bei Polizeigewalt. Das von der Regierung im Januar 2020 angekündigte unabhängige Büro für Ermittlungen und Beschwerden zur Untersuchung von Misshandlungsvorwürfen war bis Ende 2021 noch nicht eingerichtet worden. Zudem seien Abschiebungen und Abschiebungen von Asylsuchenden ungerechtfertigt. Zwischen Januar und August 2021 wurden rund 64 afghanische Staatsangehörige nach Afghanistan abgeschoben, obwohl ihnen bei ihrer Rückkehr schwere Menschenrechtsverletzungen drohten.

Sorge um die Pressefreiheit in Österreich

Amnesty International bezeichnet das im Juli 2021 verabschiedete „Paket zur Terrorismusbekämpfung“ als „besonders menschenrechtlich problematisch“. Zivilgesellschaftliche Organisationen und Experten der Vereinten Nationen haben Bedenken geäußert, dass der neue Paragraph zu „religiös motivierten extremistischen Gruppen“ zu einer Stigmatisierung von Muslimen führen würde. Amnesty war – neben anderen Organisationen – auch besorgt über die Entwicklungen im Bereich der Pressefreiheit. Sie schilderten die unverhältnismäßige Strafverfolgung von Julian H., der maßgeblich an der Entstehung des sogenannten „Ibiza-Videos“ beteiligt war. „Die Regierung hat bedeutende Menschenrechtsreformen angekündigt, die noch nicht umgesetzt wurden. Wir warten noch auf konkrete Gesetzesvorschläge zur Schaffung eines Gesetzes zur Informationsfreiheit, zur Abschaffung des Amtsgeheimnisses, zu einer grundlegenden Reform des Maßnahmenvollzugs und zur Umsetzung der EU-Hinweisgeberrichtlinie“, so Schlacke.