Der FDP-Vizepräsident sorgte mit einer unerwarteten Aussage für Aufruhr in der Arena: Die Schweiz muss laut Andri Silberschmidt russisches Gas boykottieren. Angesichts der hohen Energiepreise in der Schweiz pochen Parteivertreter auf andere Massnahmen.
Autorin: Stephanie Caminada
Der Waffenstillstand in der Russland-Ukraine-Krise scheint weit entfernt. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat den Westen wiederholt aufgefordert, sein Land zu unterstützen und mehr Druck auf Wladimir Putin auszuüben. Die Schweiz hat nun EU-Sanktionen erlassen, die dem russischen Angreifer aber nicht viel schaden würden, sagte FDP-Vizepräsident Andri Silberschmidt am Freitagabend der Arena. “Wenn wir es wirklich ernst meinen, müssen wir den Gashahn zudrehen.” Seit Kriegsbeginn fordert seine Partei härtere Maßnahmen, um Putin von seinem Weg abzubringen. „Die FDP ist der Meinung, dass kein einziger Franken an Putin und seine Attentäter-Kollegen gehen sollte“, sagte Silbersmith.
Die Gäste in der “Arena”
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Andri Silberschmidt, Vizepräsident der FDP Jon Pult, Vizepräsident SP Elisabeth Schneider-Schneiter, Nationalrätin Die Mitte / BL Regula Rytz, Nationalberaterin Grüne / BE
Ich bin gegenüber:
Mick Biesuz, Gesellschaft für Europa- und Sicherheitspolitik ESIP Toni Reichmuth, im Ruhestand
Allerdings kann die Schweiz allein russisches Gas und Öl nicht boykottieren, sie importiert Rohstoffe nicht direkt aus Russland, sondern über andere Länder wie Deutschland. „Das ist eine Entscheidung, die die Europäische Union treffen muss“, sagte Silberschmidt. Aber das Stoppen des Geldflusses ist das effektivste Mittel gegen Putin. Ziel solle kein „Bam gegen das russische Volk“ sein, sondern den russischen Präsidenten und seinen engsten Kreis „finanziell auszutrocknen“.
Der Bundesrat sei bisher sehr untätig und engagiert, die bereits beschlossenen Sanktionen durchzusetzen, sagte Jon Pult, Vizepräsident der SP. Insbesondere der spezifische Prozess des Einfrierens der Vermögenswerte sanktionierter russischer Oligarchen hat zu Verwirrung geführt.
„Wir haben viele Schlupflöcher in unserer Gesetzgebung, die es schwierig machen, Geld zu finden“, sagte Pult. Wir brauchen „Glasnost“ in unserem Finanz- und Finanzplatz, also totale Transparenz. Er forderte deshalb eine Task Force zur konsequenten Durchsetzung von Sanktionen – eine Idee, die in der Gruppe wenig Unterstützung fand. So stellte Zentralnationalrätin Elisabeth Schneider-Schneiter fest, dass eine externe Task Force den Bundesrat nur entlasten würde.
Die Abhängigkeit der Schweiz von nichtdemokratischen Staaten ist ein wichtiger Grund für die Umsetzung der Energiewende.
Auch die Bundesrätin der Grünen, Regula Ritz, forderte mehr Transparenz. Aufgrund der intensiven Wirtschaftsbeziehungen zu Russland trägt die Schweiz eine grosse Verantwortung. Im Warenhandel zeigt sich eine enge Verflechtung: 80 Prozent des russischen Öls und Gases passieren die Schweiz. Die Grünen hatten einen Vorschlag für eine Aufsichtsbehörde vorgelegt, die den Einkauf von Rohstoffen überwachen und regulieren soll.
Silberschmidt warf Rytz vor, die Grünen würden den Krieg missbrauchen, “um ihr Parteiprogramm schnell aus der Schublade zu holen und schnell umzusetzen”. Dass die Grünen bürokratischer auf den Krieg reagierten, war etwas peinlich. Rytz antwortete, dass der Krieg Licht auf ein bestehendes Problem werfe. “Die Abhängigkeit der Schweiz von völkerrechtswidrigen Nichtdemokratien ist neben dem Klimawandel ein wichtiger Grund, warum wir die Energiewende umsetzen müssen”, sagte Rytz.
Diverse Reaktionen auf den gestiegenen Benzinpreis
Ein Boykott von russischem Öl und Gas hätte direkte Folgen für die Schweiz. Einerseits steht die Versorgungssicherheit im Fokus. Vor allem in den Wintermonaten ist die Schweiz stark von russischem Gas abhängig. Andererseits würden die Energiepreise steigen. In der Schweiz könne man sich das wahrscheinlich leisten, aber in Dritte-Welt-Ländern hätte es eine enorme Wirkung, und das müsste man wissen, sagte Silberschmidt.
Der Benzinpreis ist in der Schweiz bereits in die Höhe geschossen – ein Liter kostet aktuell weit über zwei Franken. Die Meinungen zum Umgang mit dieser Preiserhöhung gingen in der Sendung stark auseinander.
Die Grünen wollen die ärmsten Haushalte entlasten, indem sie ihre Krankenkassenprämien senken. Silberschmidt sieht darin die Gefahr einer Zweiklassengesellschaft. Er forderte eine Senkung der Steuer für alle Fahrer. Der Staat darf nicht vom Krieg profitieren. Pult hingegen sieht das größte Problem nicht beim Benzin, sondern beim Heizen. Die Bevölkerung soll dabei gezielt unterstützt werden.
Wir müssen ein bisschen mehr Solidarität zeigen.
Die Parteivertreter in der Sendung waren sich einig, dass wir russisches Gas abschaffen und den Ausbau erneuerbarer Energien vorantreiben müssen. Regula Rytz sieht ein großes Potenzial in der Solarenergie, aber sowohl in die Renovierung des Hauses als auch in den Ersatz der Heizungsanlagen muss investiert werden.
Während SVP und FDP ebenfalls über neue Atomkraftwerke sprechen, glaubt Schneider-Schneiter, dass die aktuelle Atomstromerzeugung das Problem nicht lösen wird. Er kritisierte aber auch den “Widerstand von links”, etwa von Umweltverbänden, bei der Umsetzung von Projekten und argumentierte, die Parteien seien inzwischen einig. „Wir müssen ein bisschen mehr Solidarität zeigen. Vielleicht spüren wir es in unserem Portemonnaie. “Aber die Schweizer sind bereit, mehr zu tun, um eine Lösung für die Menschen in der Ukraine zu finden”, sagte Schneider-Schneiter.