Magazin als “Cash Cow”

Nach Recherchen der Vorarlberger Nachrichten soll der Vorarlberger Wirtschaftsbund der Vorarlberger Wirtschaft eine echte Cash-Cow sein. Basierend auf der Auswertung der Anzeigen in der Ausgabe, die mit einer Auflage von 20.000 Exemplaren erscheint, schätzte “VN” den jährlichen Anzeigenumsatz allein im Jahr 2021 auf etwa 1,2 Millionen Euro. Der Geschäftsführer des Wirtschaftsbundes Jürgen Kessler dementierte der Zeitung diesen Umsatz Schätzungsweise „sehr hoch

70 Prozent Werbung

Von Dezember 2020 bis Ende 2021 erschienen im Magazin insgesamt 364 Seiten Anzeigen bzw. PR-Artikel, die zu 70 % aus Anzeigen bestanden. Im Auftrag landeseigener Unternehmen wurden Anzeigen mit einem Bruttowert von 103.500 Euro veröffentlicht – basierend auf einem Seitenpreis von 3.000 Euro. Die Hypo Vorarlberg schloss elf Seiten, die Wirtschafts-Standort Vorarlberg GmbH (WISTO) und Vorarlberg Tourismus jeweils sechs Seiten und der Landesenergieversorger illwerke / vkw fünfeinhalb Seiten. Weitere Anzeigen kamen vom Vorarlberger Verkehrsverbund von Vora Research, Fachkammern der Wirtschaftskammer, ÖBB und AMS. Die Hypo Vorarlberg und illwerke / vkw nannten Geschäftskunden als interessante Zielgruppe für „VN“ und bewarben gezielt Produkte und Dienstleistungen im Magazin. mehr zum Thema

Wirtschaftsverband soll Druck ausgeübt haben

ÖVP-Anhänger haben geworben

Auch ÖVP-Befürworter tauchen in der Anzeigenwertung auf: Sieben Seiten lud Fruchtsafthersteller Rauch in zwölf Monaten ein, acht Seiten kamen von der Konservenfabrik Ball. Auch Hirschmann Automotive hat mehrfach geworben. Darüber hinaus beliefen sich Kleinanzeigen unter 3.000 Euro im Jahr 2021 auf 298.500 Euro.

Krankenkassen waren weit verbreitet

Auch die Krankenkassen ÖGK und SVS verwiesen 2021 häufig auf die „Vorarlberger Wirtschaft“. Sie hätten laut Kessler aber kein Geld dafür durchsickern lassen sollen, es seien „Redaktionsdienstseiten“. Manfred Brunner, Präsident der ÖGK Vorarlberg, bestätigte gegenüber VN, dass die ÖGK nie Werbung gemacht habe. Das sei „eine Sache von Jürgen Kessler“, der sich damals mit Brunner das τηςGK-Präsidium teilte. mehr zum Thema

Politologe Filzmaier sieht Imageschaden bei der ÖVP

Kessler ist seit Dezember auf den Titelseiten

Kessler trat Anfang 2022 paradoxerweise „aus persönlichen Gründen“ von diesem Amt zurück. Zuvor hatte Kessler im Dezember 2021 erstmals wegen Werbepraktiken Schlagzeilen gemacht. Über die 3L Consult GmbH war sie zu 49,9 % an der Kommunikationsberatung Mediateam beteiligt, die auch den Anzeigenvertrieb der Kammerzeitung „Die Wirtschaft“ betreut. CEO Markus Steurer hielt zehn Prozent, Russmedia 40 Prozent.

Anzeigengesellschaft für andere Kammerpublikationen

Infolge der Aufregung der Öffentlichkeit gab Kessler seine Anteile auf, jetzt besitzt Russmedia laut „Standard“ 75 Prozent, 25 Prozent gehören dem Vorstandsvorsitzenden. Mediateam betreut außerdem die Publikationen der IHK „thema vorarlberg“ und „Check Lehre“, die Zeitung der Ärztekammer „Arzt im Ländle“ und die Zeitung der Landwirtschaftskammer „Unser Ländle“. Die nächste Veröffentlichung ist für den 4. April angekündigt, die Veröffentlichung ist laut Kessler in Arbeit. mehr zum Thema

Die Wirtschaftsunion betrifft nun auch den Landtag

Die tatsächlichen Summen stehen noch nicht fest

Wie viel Geld tatsächlich über das Wirtschaftsbund-Magazin eingenommen wurde, bleibt unklar. Nur rund 100.000 Euro sollen jährlich in die Landespartei ÖVP fließen. Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) hatte der APA mitgeteilt, die ÖVP habe nur einmal pro Legislaturperiode Geld von der Wirtschaftsunion erhalten, zuletzt 500.000 Euro im Jahr 2019.

Hinteregger: „Die Blase ist noch größer“

Auch Ex-Schreiner Christoph Hinteregger sprach am Donnerstag nach Ex-Schreiner-Gewerkschaft Michael Stadler. Er könne Stadlers Aussagen nur bestätigen, „aber die Blase ist viel größer als man in der Vergangenheit wusste“. Jetzt muss ein sauberer Scan durchgeführt werden. „Die bisherige Praxis im Wirtschaftsverband abzuschaffen, ist gut für die Wirtschaft und das Land“, sagte Hinteregger der UNO. mehr zum Thema

Großflächige Kontrolle im Wirtschaftsbund

Telefone sollen überhitzen

Auch der ehemalige Präsident der Wirtschaftsunion Wolfurt (Kreis Bregenz) forderte eine Neuordnung. Was jetzt ans Licht kommt, ist schade für die Wirtschaftskammer und die Landes-ÖVP. Berichten zufolge sind die Telefone in der Zentrale der Landespartei ÖVP inzwischen heiß, die Beamten äußerten dort ihren Unmut.

Die Opposition fordert Konsequenzen

SPÖ-Finanzbeauftragter und SWV-Präsident Christoph Matznetter forderte die ÖVP Vorarlberg auf, die von der Wirtschaftsunion erhaltenen Beträge als Entschädigung an die Wirtschaftskammer zurückzuzahlen. „Die Handelskammer ist kein Selbstbedienungsladen für Aktionsgruppen, sondern vertritt die Interessen der Unternehmen“, sagte er. Dass die Pflichtmitglieder der Kammer unter Druck gesetzt wurden, zeige ein „erschreckendes Sittenbild“, so die Präsidentin des NEOS-Vereins Vorarlberg, Sabine Scheffknecht. Das Schweigen von ÖVP-Wallner-Parteipräsident und Wirtschaftskammerpräsident Hans Peter Metzler ist erschreckend. „Wenn ein Mitarbeiter solche Methoden anwendet, wie es Jürgen Kessler angeblich getan hat, muss eine Führungskraft Verantwortung übernehmen“, sagte er.