Diskriminierung bei Schulmaterialien: Duisburger Schüler müssen in „Kanak“ Märchen erarbeiten. Das Werk aus dem Lehrbuch, das in Duisburg für Aufsehen sorgt. Foto: Twitter
Düsseldorf / Duisburg Schülerinnen und Schüler einer Schule in Duisburg sind auf ein diskriminierendes Projekt gestoßen. Ein türkischer Elternverein fordert von den Verlegern eine Überprüfung ihrer Schulbücher. Die Verantwortung liegt jedoch woanders. Diesmal tauchte der Fall in einem Gymnasium in Duisburg auf. In einem Text des Klett-Verlags werden Schüler aufgefordert, sich mit dem Märchen „Hänsel und Gretel“ auseinanderzusetzen, auch in einer kruden Sprache voller Fehler, die als „Kanak“ bezeichnet wird. Die Geschichte beginnt dann wie folgt: “Murat und Aise ziehen durch den Wald auf der Suche nach dem richtigen Brennholz.” Es ist mittlerweile unbestritten, dass in einigen Migrationsgeschichten typische Varianten des Deutschen gesprochen werden. Sprachwissenschaftler nennen es ethnozentrisch. Es gibt viele Parodien dieser Art zu sprechen. Es gibt Comedians und Rapper, die mit einem solchen Slang bewusst signalisieren, dass sie der herrschenden Gesellschaft angehören oder sich von ihr distanzieren. Das kann man lustig finden oder nicht. Entsprechende Shows, Texte, Songs konsumieren oder nicht. Zum Glück in einer freien Gesellschaft, die von dir abhängt. Aber natürlich ist es etwas anderes, wenn in einer staatlichen Einrichtung wie einer Schule ein bekanntes Märchen in eklatant falsches Deutsch übersetzt wird und diese als unvollständig geltende Sprache einer Gruppe von Einwanderern zugeschrieben wird, was auch übersetzt heißt: Kanaken”. Auch dieser Begriff hat seine eigene Geschichte, er ist einerseits ein Fluch, wird aber von manchen Menschen selbstbewusst verwendet und ironisch provozierend zur Selbstbeschreibung verwendet. All dies kann im Unterricht besprochen werden, und wie der Vertreter der Landesregierung auf Anfrage erklärte, kam der Text in Duisburg im Deutschunterricht einer 9. Klasse als Zusatzmaterial im mehrwöchigen Kurs „Sprache denken“ zum Einsatz . Sprachwechsel, Sprachkritik.“ Die Klasse selbst hat angeregt, dass wir auch über den deutsch-türkischen Ethnozentrismus sprechen.“ Hoher Anteil an Familien mit Migrationshintergrund Der Text gilt als ungeeignet für den Unterricht und wird zukünftig nicht mehr verwendet. Unabhängig von der Integration in den Duisburger Unterricht bleibt die Frage, ob Parodien eine gute Wahl für den Unterricht sind, insbesondere wenn sie sich pauschal und abfällig über Minderheiten lustig machen. Und welche Entschuldigung haben offizielle Schulen dafür, eine ethnische Gruppe “Kanaken” zu nennen? Jedenfalls gab es Schüler, die sich über den Auftrag empörten. Das zumindest sagte der Solinger Anwalt Fatih Zingal, der den Fall über seine digitalen Kanäle bekannt machte. Genauso wie vor ein paar Wochen in einer Philosophieklasse an einem Gymnasium in Siegburg zu arbeiten. Damals schrieb der Verband der türkischen Elternvereine in Nordrhein-Westfalen einen offenen Brief an das Kultusministerium in Nordrhein-Westfalen mit der Bitte um Stellungnahme. Das gab es zwischenzeitlich. Das Ministerium distanzierte sich in Siegburg von dem Projekt und betonte, dass Nichtdiskriminierung eine Voraussetzung für die Zulassung von Schulbüchern sei. Dass in kurzer Zeit der nächste Fall für Irritationen sorgte, zeigt jedoch, dass in vielen Schulmaterialien ein „Erbgut“ zu stecken scheint. Es zeigt sich auch, dass sich die Texte aus den Schulbüchern sehr gut eignen, um in breiteren Kreisen Ärger zu provozieren. Vor allem, wenn die Irritationen nicht sofort im Unterricht besprochen werden. Denn natürlich ist dies auch ein Umgang mit fragwürdigen Standards. Nach dem Fallbericht Siegburg berichtete eine Lehrerin aus ihrem eigenen Unterricht. Die Gegenüberstellung zweier Fotos in einem Erdkundebuch hatte in ihrer Klasse für Unmut gesorgt. Das eine zeigte Menschen aus einem sogenannten Entwicklungsland vor einer ärmlichen Strohhütte, das andere eine westliche Familie mit all ihrem Reichtum. Solche Darstellungen basieren auch auf Fakten, das Konsumverhalten in Industrieländern ist anders als in Ländern mit niedrigem Bruttosozialprodukt. Vor allem aber transportieren solche Bilder Klischees und einseitige Weltbilder. Und es ist keine Überempfindlichkeit, wenn solche Darstellungen eine Gesellschaft verletzen, die sich ihrer Vielfalt zunehmend bewusst wird. Jedenfalls bemerkte die im Erdkundelehrbuch erwähnte Lehrerin sofort die Entfremdung einer ihrer Schülerinnen und verwies sie an die Klasse. Es funktioniert auch so. In einem Stich. Nach dem jüngsten Fall in Duisburg fordert der Verband Türkischer Elternvereine in Nordrhein-Westfalen (Fötev NRW) die Schulbuchverlage auf, ältere Werke kritisch zu prüfen und diskriminierende Inhalte zu überprüfen. „Wir erwarten aber auch von Lehrkräften, dass sie Texte und Aufgaben im Unterricht nur dann einsetzen, wenn sie Gruppen innerhalb und außerhalb ihrer Schülerschaft nicht beleidigen, unterschätzen oder gar diskriminieren oder Klischees und Vorurteile bedienen“, sagt Aysun Aydemir, Präsidentin Fötev NRW. „Wir wissen, dass viele Lehrerinnen und Lehrer mittlerweile sehr sensibel auf Chancengleichheit und sprachliche Diskriminierung reagieren, aber die jüngsten Negativfälle zeigen, dass es auch andere Beispiele gibt, sodass sie sich wohl eher auf die Lehrerfort- und -weiterbildung konzentrieren sollten. ” Das NRW-Bildungsministerium wies auf Nachfrage darauf hin, dass die Lehrerbildung Sache der Hochschulen sei und der Staat keinen Einfluss habe. Allerdings müssen Lehrkräfte die gesetzlichen Anforderungen erfüllen, um Lehrkräfte für ihre Prüfungen auszubilden – und unter anderem Fähigkeiten im Umgang mit kultureller Vielfalt nachweisen. Das betreffende Lehrmaterial in Duisburg wurde aus dem Internet heruntergeladen. Für solche zusätzlichen Materialien sind ausschließlich die Lehrkräfte verantwortlich. Die Lehrerin in Duisburg jedenfalls bedauert den Frust und würde sofort ein klärendes Gespräch mit ihren Schülern führen.