Angesichts steigender Energiepreise sucht auch Frankreich nach neuen Energiequellen. Ein Unternehmen an der Atlantikküste setzt auf grünen Wasserstoff und ist überzeugt, dass dies die Antwort auf drängende Fragen sein könnte. Von Sabine Rau, ARD Studio Paris

In der Vendée im Atlantik im Westen Frankreichs treffen traditionelle Austernfischer auf Start-ups. In Bouin steht das unauffällige niedrige Gebäude der Firma „Lhyfe“ direkt neben den Piers, an denen die Fischer ihre Käfige mit Austern entladen. WDR Sabine Rau Logo des ARD-Studios Paris In „Lhyfe“ entsteht der Treibstoff der Zukunft: 100 Prozent ökologisch erzeugter Wasserstoff, hergestellt aus Wasser- und Windenergie. Die riesigen Windturbinen stehen in Sichtkontakt mit dem Unternehmen und das Meer liefert kostenloses Wasser.

„Wir sind – wie die Niederlande – direkt hinter einer Düne und haben ein unerschöpfliches Wasserbecken direkt vor der Tür“, sagt Antoine Hamon. Er ist Ingenieur und Mitbegründer von „Lhyfe“.

                In Bouin kommt die Energie für die Produktion nicht aus der Steckdose – sie wird von Windkraftanlagen am Ufer gespeist.  Bild: ARD Paris

Produktion im industriellen Maßstab

Mit diesen Ressourcen können sie Wasserstoff im großen Stil produzieren: eine Tonne pro Tag. Nach eigenen Angaben ist das Unternehmen mit nur vier festen Mitarbeitern auf der Baustelle der erste Anbieter in Europa, der grünen Wasserstoff im industriellen Maßstab liefern kann: in der Industrie, zum Heizen, für den Straßenverkehr.

Und das recht rentabel und zum gleichen Preis wie Benzin, versichert Hamon: „Heute braucht man für sein Wasserstoffauto eine Badewanne voll flüssigen Wasserstoff, um es ein Jahr lang fahren zu können“, rechnet er vor, „und das alles ohne CO2. “Schadstoffe”.

Auch deutsche Kunden

„Lhyfe“ wurde im September letzten Jahres auf den Markt gebracht. „Wir beliefern sowohl Forschungszentren als auch Industrieunternehmen, die von fossilen Brennstoffen auf Wasserstoff umsteigen wollen“, erklärt Hamon. Die Zusammenarbeit mit deutschen Unternehmen wie der Deutschen Bahn hat bereits begonnen.

Mehr noch: „Einer unserer wichtigsten Kunden ist die Supermarktkette Lidl. Sie haben ein Logistikzentrum, in dem sie Gabelstapler einsetzen, die mit grünem Wasserstoff betrieben werden“, sagt Hamon. „Supermarktketten setzen auf Wasserstoff, der hier produziert wird.“

Lhyfe hat bereits rund ein Dutzend Mitarbeiter in Deutschland – und expandiert europaweit.

Wie gehe ich mit steigenden Energiepreisen um?

Grüner Wasserstoff könnte die Antwort auf die drängenden Fragen der zukünftigen Energieversorgung sein – gerade jetzt, wegen des Krieges in der Ukraine. Auch in Frankreich spielt das Thema im Wahlkampf eine Rolle: Viele Franzosen sind sehr besorgt über steigende Energiepreise an Tankstellen. Denn viele, gerade im ländlichen Raum, sind auf das Auto angewiesen.

So will die Regierung den Anstieg der Spritpreise mit einem Rabatt von 15 Cent pro Liter bewältigen. Diese wird ab dem 1. April für vier Monate umgesetzt und kostet den Staat laut Premierminister Jean Castex rund zwei Milliarden Euro. Davon profitieren sowohl Haushalte als auch Unternehmen. Damit versucht die Macron-Regierung – wenige Wochen vor den Wahlen – der Opposition die Luft aus den Segeln zu nehmen.

Im Fokus steht nach wie vor die Atomkraft

Gleichzeitig soll in Frankreich die Kernenergie wiederbelebt werden. Präsident Emanuel Macron hat angekündigt, bis 2050 sechs neue Kernkraftwerke EPR 2 zu bauen. Das erste könnte 2035 in Betrieb gehen. Er will den Bau weiterer acht Hochöfen in Betracht ziehen. Gleichzeitig soll die Lebensdauer aller bestehenden Kernkraftwerke verlängert werden, wenn die Sicherheit dies zulässt. Macron will mit einer Milliarde Euro die Entwicklung „kleiner modularer Reaktoren“ unterstützen, die kleiner und vermeintlich sicherer sind.

Gleichzeitig übernimmt Frankreich wieder einen bedeutenden Anteil an der Kraftwerksproduktion: Für rund 240 Millionen Euro kauft der Energiekonzern EDF eine Turbine aus Belfort vom US-Hersteller General Electric zurück, die dieser von Alstom übernommen hatte erst 2015.

Der erste Bus fährt bereits

Im 60 km entfernten La Roche-sur-Yon verkehrt der erste öffentliche Wasserstoffbus der „Lhyfe“. 700.000 Euro gab die Stadt für diesen Prototypen aus. Und das soll erst der Anfang sein.

Die Stadt setzt gezielt auf erneuerbare Energien und will die lokale Wirtschaft und die Region insgesamt ankurbeln, sagt Laurent Favreau, Präsident des Energienetzwerks Vendée. Sie verantwortet unter anderem den Fuhrpark und strebt an, bis 2030 mindestens 20 Prozent der Fahrzeuge auf erneuerbare Energieträger umzustellen.

                Wo der Spritpreis keine Rolle spielt: An dieser Tankstelle in La Ross-sur-Yon wird der Originalbus mit grünem Wasserstoff betankt.  Bild: ARD Paris

Praktizierende rufen nach Politik

“Ich bin mir leider nicht sicher, ob Energiethemen in diesem Wahlkampf wirklich den richtigen Platz haben”, sagte Favro und fügte hinzu, er würde sich von der Politik etwas mehr Engagement erwarten. „Schade. Das sollte eine viel größere Rolle spielen – für alle Politiker.

Für eine moderne Energiepolitik ist an den französischen Atlantikküsten alles vorhanden: Wind und …