Der deutsche Finanzminister hat das Bundeskriminalamt mit der Übernahme der Gazprom-Tochter beauftragt. (Foto: Reuters) Berlin Die Bundesregierung übernimmt in einem spektakulären Schritt die Führung von Gazprom Germania, der ehemaligen Tochtergesellschaft des russischen Konzerns Gazprom. Der Bundesnetzdienst werde bis zum 30. September 2022 als Verwalter eingesetzt, kündigte Bundesfinanzminister Robert Hubbek (Grüne) am Montagnachmittag an. Dieser Schritt ist beispiellos in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland und dient der Aufrechterhaltung der Versorgungssicherheit. Vorausgegangen war die Ankündigung der Muttergesellschaft, die deutsche Tochter “abtreten” zu wollen. Am vergangenen Wochenende stellte sich heraus, dass zwei in Deutschland unbekannte russische Unternehmen (JSC Palmary und GPEBS) neue Eigentümer von Gazprom Germania werden würden. Das Außenwirtschaftsgesetz sieht jedoch vor, dass der Erwerb kritischer Infrastruktur durch Nicht-EU-Investoren der Zustimmung des Bundesministeriums der Finanzen bedarf. Da diese Genehmigung nicht eingeholt wurde, ist die Finanzabteilung davon überzeugt, dass der Erwerb nicht rechtmäßig ist. Einem Bericht des Spiegels zufolge versuchte Gazprom, Anteile seiner Tochtergesellschaft in Berlin im Wert von 226 Millionen Euro umzuverteilen und an eine Organisation mit Sitz in St. Petersburg zu übertragen. Dies könnte ein Versuch sein, eine Verstaatlichung durch die deutschen Behörden in den letzten Schritten zu verhindern. Top Aufgaben des Tages Finden Sie jetzt die besten Jobs und bleiben Sie per E-Mail auf dem Laufenden. Doch das Ministerium will nicht nur den undurchsichtigen Eigentümerwechsel beenden. Ein weiteres Ziel der Kampagne ist es, eine unkontrollierbare Zahlungsunfähigkeit zu verhindern.

Angst vor Sanktionen

Unternehmen wie Gazprom Germania und Rosneft Deutschland, eine Tochtergesellschaft des russischen Ölkonzerns Rosneft, kämpfen seit Inkrafttreten der Sanktionen mit großen Problemen in Europa. Viele Geschäftspartner scheuen davor zurück zu glauben oder zu befürchten, dass ihr Ruf Schaden nimmt. Manche befürchten auch, vom Sanktionsregime verführt zu werden. Dadurch werden die Kapazitäten von Gazprom Germania und Rosneft Deutschland stark eingeschränkt. Experten warnen vor „technischer Insolvenz“. Die Zentrale von Gazprom Germania in Berlin Die Tochtergesellschaft des russischen Gasversorgers Gazprom steht nun unter der Verwaltung der deutschen Behörden. (Foto: dpa) Dem Bundesnetzdienst kommt nun eine erhebliche Verantwortung zu. Gazprom Germania und ihre Tochtergesellschaften sind auf allen Ebenen des Gasgeschäfts tätig, importieren Gas, handeln mit Gas, schließen Verträge mit Kunden wie Stadtwerken ab und betreiben Gasspeicheranlagen. Eine ungezogene Insolvenz hätte fatale Folgen. Diese Entwicklung soll durch die Treuhandstruktur verhindert werden. Klaus Müller, der neue Präsident des Bundeskriminalamts, sagte: „Wir sind uns der Verantwortung für die sichere Gasversorgung bewusst, die dieses Projekt mit sich bringt. “Unser Ziel wird es sein, Gazprom Germania im Interesse Deutschlands und Europas zu führen.” Es werden alle notwendigen Maßnahmen ergriffen, um die Versorgungssicherheit weiterhin zu gewährleisten. In diesem Sinne sollen die Aktivitäten der Gazprom Germania und ihrer Tochtergesellschaften kontrolliert fortgeführt werden.

Sind die Gasspeicher jetzt voll?

Für den Bundesnetzdienst können sich insbesondere im Hinblick auf die Bewirtschaftung zukünftiger Speicher erhebliche Handlungsmöglichkeiten ergeben. Beispielsweise könnte die Regulierungsbehörde das Management von Gazprom Germania anweisen, bestimmte Speicherkapazitäten zu erreichen. In den vergangenen Monaten wurde dem Unternehmen vorgeworfen, die Lagerbestände künstlich niedrig gehalten zu haben, um eine ohnehin angespannte Versorgungslage weiter zu verschärfen. Theoretisch, sagen Juristen, wäre der Bundesnetzdienst als Verwalter auch berechtigt, die Speicher zu verkaufen. Unklar ist, wie die russische Seite auf die Berliner Entscheidung reagieren wird. Es besteht die Gefahr, dass Russland den Schritt absichtlich falsch interpretiert, sagen Insider. Theoretisch hat Gazprom eine Klage. Mehr: Alle Entwicklungen zum Krieg in der Ukraine im Nachrichtenblog Handelsblatt.