Im März schoss die Inflation in Deutschland auf den höchsten Stand seit fast 40 Jahren. Hinter dem plötzlichen Anstieg steckt der starke Anstieg der Energiepreise.
Nach einer ersten Schätzung des Statistischen Bundesamtes sind die Verbraucherpreise in der Bundesrepublik im Vergleich zum Vorjahresmonat um 7,3 Prozent gestiegen und damit so stark wie nie zuvor im wiedervereinigten Deutschland. So hoch wie im März war die Inflation in den alten Bundesländern zuletzt im Herbst 1981, als infolge der Auswirkungen des Ersten Golfkriegs auch die Mineralölpreise stark gestiegen waren.
Wie ungewöhnlich ein so starker Preisanstieg ist, zeigt ein Blick in die Geschichte: Selbst im ehemaligen Bundesgebiet waren Inflationsraten über sieben Prozent selten und wurden nur in den frühen 1980er, 1970er und 1950er Jahren gefunden, wie Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg betont Kramer.
Wie die Inflation das Einkommen frisst
Doch was bedeutet eine historisch hohe Inflation für die Menschen in Deutschland? Eine hohe Inflation verringert die Kaufkraft der Verbraucher, weil sie sich für einen Euro weniger leisten können. „Die Doppelkrise Corona und der Krieg in der Ukraine kostet uns Wohlstand“, sagte LBBW-Ökonom Jens-Oliver Niklasch. Die Kaufkraft von Renten und Einkommen schrumpft deutlich, zudem sind Ersparnisse durch Minizinsen nicht vor realen Wertverlusten geschützt.
„Die nüchterne Zahl einer Preissteigerung von mehr als sieben Prozent bedeutet eine enorme reale Abwertung der Einkommen in der deutschen Wirtschaft – Arbeitseinkommen, Renten und Transfers, Unternehmens- und Kapitaleinkommen“, sagt Michael Heise, Chefvolkswirt bei HQ Trust.
Heizöl- und Benzinpreise steigen
Haupttreiber der Inflation waren einmal mehr die Energiepreise. „Dass die Inflation im März auf 7,3 Prozent gestiegen ist, liegt vor allem am Ukraine-Krieg, der Heizöl- und Benzinpreise in die Höhe getrieben hat“, sagte Kramer. Aber jenseits von Energie sind die Preise im Allgemeinen gestiegen.
Laut vorläufiger Statistik mussten die Menschen in Deutschland im März 39,5 Prozent mehr für Haushaltsenergie und Treibstoff ausgeben als im Vorjahresmonat. Die Lebensmittelpreise stiegen in einem Jahr um 6,2 %.
Vor dem Hintergrund steigender Energiepreise haben einige Institute zuletzt ihre Prognosen für die Jahresinflation angehoben. So erwartet der Sachverständigenrat der deutschen Wirtschaft bis 2022 eine Inflation von 6,1 Prozent. Die IFO in München prognostiziert für dieses Jahr einen Anstieg der Verbraucherpreise von 5,1 auf 6,1 Prozent.
Die hohe Inflation setzt die EZB unter Druck
Die hohe Inflation in der größeren Wirtschaft der Eurozone lässt die geldpolitischen Erwartungen der Europäischen Zentralbank (EZB) steigen. „Wir werden in naher Zukunft mit einer höheren Inflation und einem geringeren Wachstum konfrontiert sein“, warnte EZB-Präsidentin Christine Lagarde heute in Nikosia.
Während sich der EZB-Chef bisher mit Hinweisen auf bevorstehende Zinsänderungen bedeckt hielt, haben die Mitgliedstaaten zuletzt sehr deutliche Handlungsaufforderungen ausgesprochen: Der Chef der österreichischen Notenbank, Robert Holzmann, geht von einer Zinserhöhung aus durch die EZB ist bereits ab Ende des Sommers möglich.
„Wenn es im Juli keine neuen Aktienmärkte mehr gibt, könnte der erste Zinsschritt im September erfolgen“, sagte Holtzmann heute in Wien. Wenn die Inflation steigt, ist es die Aufgabe der Zentralbank, die Zinsen zu erhöhen. Der Chef der niederländischen Zentralbank Klaas Knot hat zuletzt zwei Zinserhöhungen in diesem Jahr nicht ausgeschlossen.
Zehn- bis vierjährige Höchstleistung
Angesichts steigender Inflationserwartungen und Zinsen steigen die Anleiherenditen seit einigen Wochen. Erst gestern stieg die vielbeachtete Performance der Zehnjahresgruppe mit 0,74 % auf den höchsten Stand seit Februar 2018. Sollte die EZB den Kurs ändern und die Zinsen erhöhen, würde der Euro wieder steigen.