Afghanistan befindet sich seit der Machtübernahme der Taliban in einem Zustand der Unordnung. Ehemalige einheimische deutsche Arbeiter warten immer noch darauf, das Land zu verlassen. Was tut die Bundesregierung, um das Leid der Menschen zu lindern? Von Kai Küstner, ARD-Hauptstadtstudio
Es bleibt eine schwierige Gratwanderung: Wie kann die Situation der Afghanen gemildert werden, ohne die Taliban-Extremisten zu finanzieren? Das ist die zentrale Frage, auf die die Bundesregierung täglich Antworten finden muss: Deutschland hat seit der Machtübernahme der Extremisten rund 600 Millionen Euro an humanitärer Hilfe bewilligt. NDR Kai Küstner Logo des ARD-Hauptstadtstudios Das Auswärtige Amt betont, dass die Hilfe direkt von unabhängigen Organisationen geleistet werde, es also unmöglich sei, “Gelder an das Taliban-Regime zu fließen”.
Dramatische Hungersnot in Afghanistan
Trotz der Kapitel: Die Welthungerhilfe warnt davor, dass sich die ohnehin schon „dramatische Hungersnot“ in Afghanistan noch weiter verschärfen wird. 95 Prozent der Bevölkerung konnten nicht mehr ausreichend ernährt werden. In ihrer Not heirateten Familien junge Mädchen und die Kinderarbeit nahm zu.
Erst vor wenigen Tagen sorgten die Taliban international für Empörung, weil sie die ursprüngliche Ankündigung, Mädchen wieder auf weiterführende Schulen zu lassen, spontan zurücknahmen.
Aid World Vision fordert die von Deutschland, Katar und dem Vereinigten Königreich ausgerichtete Patenschaftskonferenz auf, Frauen und Mädchen besondere Aufmerksamkeit zu schenken, und rät der internationalen Gemeinschaft, eingefrorene Bankguthaben nach Afghanistan zurückzugeben. Das ist umstritten, weil es Sanktionen gegen Islamisten unterlaufen würde.
Diplomatische Mission bald wieder nach Kabul?
Die Lage der Menschen hat sich seit der Machtergreifung der Taliban nach dem überstürzten Abzug internationaler Truppen im August 2021 dramatisch verschlechtert. Es gibt keine Anzeichen dafür, dass Extremisten in der Lage sind, sich zu rächen.
Trotzdem versuchen Deutschland und andere Länder, den Kontakt zu den Taliban aufrechtzuerhalten. Die Bundesregierung bemüht sich in Zusammenarbeit mit europäischen Partnern um die Wiedereröffnung einer diplomatischen Vertretung in Kabul. Das erfuhr das ARD-Hauptstadtstudio aus Regierungskreisen.
Einheimische Arbeiter warten immer noch darauf, das Land zu verlassen
Natürlich ist auch das Gespräch mit den Extremisten notwendig, weil die schutzbedürftigen Afghanen weiterhin das Land verlassen müssen. Von ehemaligen einheimischen Arbeitern, also Menschen, die den Deutschen beispielsweise als Übersetzer der Bundeswehr geholfen haben, sind seit der Machtübernahme der Taliban 2.908 nach Deutschland eingereist. Rechnet man die Familienmitglieder hinzu, sind es nach Angaben des Bundesinnenministeriums mehr als 13.190 Afghanen im Hauptstadtstudio der ARD.
Das ist viel mehr als vor sechs Wochen. Viele warten jedoch noch immer verzweifelt und in Lebensgefahr darauf, das Land zu verlassen.
Afghanistan am Abgrund – was tut Deutschland?
Kai Küstner, ARD Berlin, 30.3.2022 · 21:50