Die antifaschistische Aktion macht die Identität von Mitgliedern der Neonazi-Gruppe „Junge Tat“ öffentlich. «Das gibt dem Rechtsextremismus in der Schweiz ein Gesicht», sagt Extremismus-Experte Dirk Baier.
von Michelle Muf Céline Bittenhardt Daniel Krähenbühl 1/8 Die Antifa veröffentlicht im Internet die Identitäten der rechtsextremen Mitglieder von “Junge Tat”. Dieses Foto beispielsweise stammt aus einem Propagandavideo der rechtsextremen Gruppierung, … ναζιφρεί.χ … ein weiteres Foto zeigt ihn mit vermummtem Gesicht und Lautsprecher an der Spitze einer Corona-Demonstration. Bildschirmfoto Der Mann reagiert 20 Minuten lang nicht auf Anfragen. Doch sein Arbeitgeber ist überrascht: „Über seine Ausrichtung war im Vorfeld nichts bekannt“, sagt der CEO. „Auch bei unserer täglichen Arbeit haben wir nichts gemerkt.“ Bildschirmfoto
Antifaschistische Aktion Schweiz will wöchentlich Mitglieder der rechtsextremen Gruppe “Junge Tat” entfernen. Die rechtsextreme Gruppe hat sich kürzlich zur führenden Gruppierung der Schweizer Neonazi-Szene entwickelt. Dirk Baier, Leiter des ZHAW-Instituts für Kriminalität und Kriminalprävention, ordnet die Kampagne ein. Aus rein rechtlicher Sicht sei die „Frühjahrsaktion“ der Antifa ein klarer Verstoß gegen den Datenschutz und die Privatsphäre, sagt Rechtsanwalt Simon Schnetzler.
«Alle Nazis müssen raus aus der Deckung!»: Mit diesen Worten lanciert die Antifaschistische Aktion Schweiz ab Ende März eine «antifaschistische Frühlingsaktion». Die Antifa hatte bereits im Sommer sechs mutmaßliche Mitglieder der rechtsextremen Gruppe „Junge Tat“ abgeschoben und will nun wöchentlich nachlegen, bis das gesamte Netzwerk aufgedeckt ist (siehe Kasten). „Die fast ausschließlich männlichen Mitglieder dieser Gruppe sind gewalttätige und teilweise verurteilte Rassisten, Sexisten und Antisemiten“, schrieb die Linksgruppe. Es ist wichtig, die Anwerbung neuer Mitglieder durch Gruppenwanderungen, organisierte Kampagnen und soziale Medien einzustellen.
Stimmungsfunktion überrascht
Das erste mutmaßliche Mitglied von „Junge Tat“ in der sogenannten „Frühjahrsaktion“ wurde am vergangenen Sonntag freigelassen. Auch alle persönlichen Daten der Person (19) wurden öffentlich gemacht: darunter vollständiger Name, Adresse, Geburtsdatum, Arbeitgeber und Social-Media-Profil. Außerdem wurden mehrere Fotos des jungen Mannes veröffentlicht. Der Mann reagiert 20 Minuten lang nicht auf Anfragen. Sein Arbeitgeber kannte seine Haltung erst in dieser Woche. „Wir wurden darüber per E-Mail informiert“, sagte der Vorstandsvorsitzende, der anonym bleiben wollte. Die Nachricht überraschte ihn, über seine Orientierung war im Vorfeld nichts bekannt. „Auch bei unserer täglichen Arbeit haben wir nichts gemerkt.“ Das Unternehmen habe jedoch versucht, „sofort“ mit dem Mann zu sprechen und das Lehrlingsbüro geöffnet, so der Vorstandsvorsitzende. “Er studiert noch.” Weitere Schritte können derzeit noch nicht bekannt gegeben werden, da die Gespräche mit dem Berufsbildungsamt noch laufen.
„Exkursionen machen Rechtsextremismus sichtbar“
„Antifa geht es in erster Linie darum, ‚richtiges Denken‘ in Form von gut durchdachten Menschen an die Oberfläche zu bringen“, sagt Dirk Baier, Leiter des Instituts für Kriminalität und Verbrechensprävention an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW). . In der Schweiz wird oft gesagt, dass hier Rechtsextremismus im Verborgenen operiere: „Durch solche Exits wird Rechtsextremismus sichtbar. “Zweitens geht es darum, Menschen bloßzustellen und zu verhindern, dass sich Menschen auf solche Szenen einlassen.”
Kontakt kann zu Radikalisierung führen
Dass die Austritte andere davon abhalten, sich in rechte Szenen einzumischen, ist laut Baier aber unwahrscheinlich: «Der Rechtsextremismus in der Schweiz ist in den letzten Jahren wieder aktiver und jünger geworden. Vorbeugen funktioniert also nicht.“ Die Folgen für die Ausgeschiedenen dürften unterschiedlich sein – je nachdem, wie sie ihre Haltung bis zur Ankündigung gelebt haben, sagt Baier: „Wenn sich ein Betroffener angegriffen fühlt, kann das sogar zu einer Radikalisierung führen, jetzt wird jemand ganz klar als Rechts- Flügelextremist.” Grundsätzlich sei ein solches „Internet-Shooting“ auf jeden Fall zu verurteilen, sagt Baier: „Es ist ein rechtswidriger Eingriff in die Persönlichkeitsrechte – egal mit welchen Gruppen man spricht.“ „Junge Leute, die die Junge Tat mögen oder sich sogar dafür engagieren, brauchen andere Maßnahmen“, sagt Baier.
Klarer Verstoß gegen die Schweigepflicht
Aus rein rechtlicher Sicht sei die „Frühjahrsaktion“ der Antifa ein Verstoß gegen den Datenschutz und die Privatsphäre, sagt Rechtsanwalt Simon Schnetzler. „Personenbezogene Daten wie Adresse, Telefonnummer oder Name des Arbeitgebers werden hier ohne Einwilligung der betroffenen Person veröffentlicht.“ All dies sind Daten, die normalerweise nur einem kleinen Personenkreis zur Verfügung stehen würden. Im Falle eines Verstoßes hätten Betroffene die Möglichkeit, gerichtlich gegen die Veröffentlichung vorzugehen, sagt Schnetzler. „Bei anonymen Gruppen kann es jedoch schwierig sein, die Verantwortlichen für die Veröffentlichungen zu identifizieren.“ Die rechtsextreme Gruppe “Junge Tat” steht seit zwei Jahren an der Spitze der Schweizer Neonazi-Szene. Wie die militante Gruppe die Krönung junger Menschen nutzte, um Unterstützer zu werben, wurde erst kürzlich deutlich 40-minütiger Dokumentarfilm von Tamedia. Es zeichnet nach, wie sie zur am schnellsten wachsenden rechtsextremen Gruppe der Schweiz aufstiegen. Der Bundesnachrichtendienst (NDB) zeigt sich in seinem Bericht zur aktuellen Lage besorgt: „Der Austausch zwischen jungen Aktivisten, von denen die meisten in der Vergangenheit nicht strafrechtlich verfolgt wurden, und älteren Rechtsextremisten erhöht die Kapazität der neuen Strukturen erheblich. ” Letztere verfügten über langjährige Erfahrung innerhalb dieser Gruppierungen, aber auch in Strafverfolgungen und Konfrontationen mit Antifaschisten. Aufgrund dieser Erkenntnisse lässt sich festhalten, dass sich die Lage im Bereich des gewaltbereiten Rechtsextremismus verschlechtert und die Wahrscheinlichkeit von Gewalttaten zunimmt. „Dadurch ist mit einer Zunahme von Gewalttaten durch gewalttätige rechtsextreme Gruppen zu rechnen“, so der NDB.