18:47 Uhr, 28. März 2022
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        Ehemalige Familienministerin Sophie Karmasin © (c) APA / ROLAND SCHLAGER (ROLAND SCHLAGER)

Die ehemalige PVP-Familienministerin Sophie Karmasin, die am 2. März im Zusammenhang mit dem PVP-Werbeskandal festgenommen wurde und seit dem 4. März in Untersuchungshaft sitzt, wurde am Montag um 16.20 Uhr freigelassen. Laut APA hat das Oberste Gericht (OLG) Wien Beschwerde eingelegt, weil die Anwälte von Karmasin, Norbert Wess und Philipp Wolm (Kanzlei Kollmann Wolm), gegen den Haftbefehl des Bezirksgerichts Berufung eingelegt hatten. OLG-Sprecher Reinhard Hinger bestätigte die Entscheidung gegenüber der APA. Dringliche Verdachtsmomente und Haftgründe sind weiterhin gegeben. Nach dreieinhalb Wochen Haft sei eine Haftentlassung nach Ansicht des Oberlandesgerichts mit milderen Mitteln möglich, sagte Hinger.

Bedingte Haftungsfreistellung

Karmasin musste unter anderem versprechen, dass er bis zum Abschluss des Strafverfahrens keine Fluchtversuche oder Verstecke unternimmt und keinen Kontakt zu den anderen Verdächtigen des Publicity-Falls – Altkanzler Sebastian Kurz (ÖVP), mehrere Vertraute von Kurz, der ehemalige ÖBAG-Chef Thomas Schmid, die ehemalige Karmasin-Mitarbeiterin Sabine Beinschab sowie die Medienschaffenden Wolfgang und Helmuth Fellner – und verzichten auf Zeugenaussagen. Ihr sei es auch untersagt, „die Ermittlungen zu erschweren“, erklärte Hinger später in einer Pressemitteilung. Außerdem wurde sie angewiesen, an ihrer Adresse zu bleiben und jeden Wohnungswechsel zu melden. Außerdem muss sie sich als Psychotherapeutin weiterbilden.

Ermittlungen im Werbefall ÖVP

Die Finanz- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) ermittelt gegen Karmasin im PVP-Werbeverfahren wegen Untreue und Bestechung sowie wegen Geldwäsche, wettbewerbswidriger Straftaten und schwerem Betrug. Das Oberlandesgericht hat bestätigt, dass der Haftgrund, die Gefahr der Begehung einer Straftat, wie vom Landgericht vorgenommen, „grundsätzlich“ für alle Straftaten zu bestätigen sei. Da Karmasin jedoch „erhebliche berufliche und soziale Folgen“ infolge von Strafverfahren und Haft zu erleiden habe, bestehe keine Gefahr, dass sie sich in naher Zukunft an kriminellen Aktivitäten beteiligen könne. Das Oberlandesgericht begründete den Freispruch: „ Das Oberlandesgericht geht davon aus, dass der Eindruck der bisherigen Inhaftierung zu einem guten Benehmen des unschuldigen Angeklagten führen wird.”

Haftgrund wurde durch mildere Mittel ersetzt

„Die Entscheidung des dreiköpfigen Senats des Oberlandesgerichts folgt unserer Argumentation von Anfang an, wonach der von der WKStA und dem Gericht erster Instanz herangezogene Haftgrund die Gefahr der Begehung einer Straftat sein kann Fall durch mildere Mittel ersetzt werden und schließlich “Sie müssen auch ersetzt werden”, sagten die Karmasin-Rechtsvertreter Norbert Wess und Philipp Wolm in einer Erklärung am Montagabend. In einer gemeinsamen Stellungnahme gegenüber der APA hieß es, Karmasin habe „der WKStA und auch dem Gericht erster Instanz von Anfang an die notwendigen Zusicherungen gegeben“. Die Haftungsfreistellung sei “eine große Erleichterung für den Kunden”. Die WKStA vermutet, dass Karmasin der „Erfinder und Drahtzieher“ eines PR-Instruments war, von dem der damalige Staatssekretär und damalige Bundeskanzler Sebastian Kurz und die ÖVP von steuerfinanzierten Recherchen profitiert haben sollen. Karmasin bestreitet es. „Er hat an keinem gemeinsamen „Aktionsplan“ teilgenommen, er hat sich dazu – von niemandem – überreden lassen und lediglich den Kontakt zwischen dem damaligen ÖBAG-Chef und damaligen Finanzminister Thomas Schmid und der Meinungsforscherin Sabine Beinschab hergestellt. Karmasin bestreitet bisher die Festlegung dieser Richtlinien – wie Beinschab behauptet – für die Veröffentlichung von Ermittlungen sowie eine Vereinbarung zwischen dem Finanzministerium, durch das Ermittlungen bepreist wurden, und den Medienschaffenden Helmuth und Wolfgang Fellner. Es gebe auch kein „Paket“ mit Zusagen für Werbeaufträge, sondern nur „gewöhnliche Dinge, nach denen die Medien ab und zu mit exklusiven Geschichten gefüttert werden“.

„Warnung“ für das Löschen von Daten

Unterdessen machte Beinschab, der den ehemaligen Karmasin-Mentor im Oktober erstmals angeklagt hatte, vergangene Woche eine “ergänzende Aussage”. Wie die „Kronen Zeitung“ am Montagnachmittag in ihrer Online-Ausgabe berichtete, behauptet Beinschab, Karmasin habe – entgegen ihrer eigenen Aussage – ihre Arbeit als Markt- und Meinungsforscher bis Dezember 2021 fortgesetzt. Karmasin habe „auch um Löschung von Daten gebeten“ und gebeten um Hilfe, weil er nicht wusste, wie man das automatische Löschen von Nachrichten im Nachrichtendienst „Signal“ aktiviert. Für Karmasin und Beinschab gilt die Unschuldsvermutung – ebenso wie für Kurz und andere ÖVP-Verdächtige, darunter mehrere langjährige Vertraute von Kurz, Schmid und den Medienmachern Helmuth und Wolfgang Fellner.