Nach Ausstieg aus Bundesregierung: Grün-Schwarze entscheiden über Corona-Politik in Baden-Württemberg
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Stuttgart. Das Land Baden-Württemberg hat sich wegen der anhaltend hohen Infektionszahlen entschieden gegen die Aufhebung fast aller Corona-Schutzmaßnahmen gewehrt – doch am kommenden Sonntag war es soweit. Dann ist das Tragen von Masken in Innenräumen nicht mehr erforderlich und es gelten keine Zugangsbeschränkungen mehr. Die Landesregierung von Grünen und CDU sieht die Verantwortung beim Bund, der den Ländern die Rechtsgrundlage für diese Forderungen entzogen habe. Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) hat die Bürger des Landes dazu aufgerufen, in Innenräumen freiwillig Masken zu tragen. „So schützen wir nicht nur unsere eigene Gesundheit, sondern zeigen uns auch solidarisch mit der Gemeinschaft.“ Die Gewerkschaften befürchten enorme Konsequenzen für Schulen und die Polizei, denn ohne Masken würden sie infiziert und viele weitere Lehrer und Polizisten würden fehlen.
Kretschmann holt Lauterbach ab
Kretschmann überraschte am Dienstag erneut mit seiner Wut auf die Bundesregierung aus SPD, Grünen und FDP. Strengere Maßnahmen in regionalen Brennpunkten anzuordnen, wie sich Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) vorstellt, ist nicht möglich. „Der Gesundheitsminister kann nicht kommen und sein eigenes Recht auf gesunde Weise beten“, sagte der Grünen-Politiker. Einen „Plan B“ habe er auch nicht, falls sich die Lage verschärfen sollte. “Ich kann wütend werden, wie ich will.” Ihm sind aufgrund des Bundesgesetzes die Hände gebunden. Die Opposition bestreitet, dass die Grün-Schwarzen keine regionalen Hotspots ausrufen konnten. Die SPD stuft den Kurs als „risikoreich“ ein.
Das Land sieht, dass die Frachtgrenze noch lange nicht erreicht ist
Kretschmann hingegen rechnet damit, dass die Pandemie auch nach Aufhebung der meisten Maßnahmen am kommenden Sonntag beherrschbar bleiben wird. “Ich bin optimistisch, dass es saisonal bedingt nicht außer Kontrolle gerät.” Die Zeit der Atemwegserkrankungen endet spätestens Ende April. Ab Sonntag ist nach dem kürzlich novellierten Infektionsschutzgesetz und einer Übergangsfrist eine Maskenpflicht nur noch eingeschränkt möglich, etwa in Kliniken oder Pflegeheimen und in öffentlichen Verkehrsmitteln. Politiker
Die meisten Länder verzichten auf die 2G-, 3G- und Maskenpflicht
Das Gesundheitssystem im Südwesten ist trotz der hohen Infektionszahlen von Patienten mit Covid-19 derzeit nicht überlastet. Sowohl Regel- als auch Intensivstationen sind noch weit von ihrer Belastungsgrenze entfernt, Hintergrund ist der etwas mildere Verlauf der Mikron-Variante. Auch geplante Operationen werden nicht verschoben. Lediglich einzelne Kliniken haben Probleme durch infizierte Pflegekräfte gemeldet. Dies bedeutet, dass die Anforderung für die zentrale Hotspot-Einstellung nicht erfüllt ist. Deshalb könne das Land nicht handeln, weil die Gerichte eine vorsorgliche Regelung einziehen würden. „Wir halten uns an Bundesgesetze. „Und wir halten uns auch an schlechte Gesetze“, sagte der Regierungschef.
Weitere Maßnahmen zur Entlastung der Kliniken
Die Koalition betonte, man verfolge weiterhin einen “Pfad der Aufmerksamkeit und Besonnenheit”. Das Land will viele Maßnahmen ausprobieren, um eine Überfüllung der Kliniken zu verhindern, etwa durch Personalumzüge oder den Einsatz von externem Pflegepersonal. Zudem sollen das Sozialministerium und Fachpolitiker aus den Bundestagsfraktionen einen Plan erarbeiten, nach dem Pflegekräfte auch bei einer Infektion ohne Symptome weiterarbeiten können.
Die GEW warnt vor Kursausfällen während der Prüfungsphase
Der GEW-Bildungsverband möchte, dass die Maskenpflicht in den Schulen mindestens bis zu den Osterferien am 14. April gilt. „Offensichtlich sehen wir in Sachen Bildung die Notwendigkeit von Kontakten ohne Masken“, sagte DPA-Chefin Monica Stein. Nun wird die ohnehin schon hohe Anzahl an Kursen weiter ausgebaut. “An vielen Schulen stehen die Abschlussprüfungen bevor, da kann keiner mehr Durchfall gebrauchen.” Von den vielen Neuinfektionen war auch die Polizei betroffen. Ralph Kusterer, Vorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), sagte, fast 2.000 Polizisten – über das ganze Land verstreut – seien letzte Woche wegen des Coronavirus vermisst worden. „Eine Infektion von Polizisten führt bereits zu erheblichen Einschränkungen im Arbeitsalltag“, beklagte der Gewerkschafter.
Die FDP freut sich über die Rückkehr der Freiheitsrechte
FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke hält den Wegfall der Auflagen für genau richtig. „Ich begrüße, dass diese Landesregierung nicht versucht, das Bundesinfektionsschutzgesetz zu missbrauchen, um das ganze Land zum Hotspot zu erklären.“ Es ist wichtig, den Menschen ihre Freiheiten zurückzugeben. Dass die Omikron-Variante milder ist, die Kliniken nicht mehr überlastet sind und der Frühling naht, ist dafür verantwortlich. Die Landes-SPD hingegen hält es für unverantwortlich, der Pandemie freien Lauf zu lassen. Es ist falsch, die Hotspot-Regel nicht anwenden zu wollen. „Gegen die Bilanz der Vorfälle reicht es nicht, in Berlin mit dem Finger zu zeigen“, sagte der Vorsitzende der Partei und SPD-Bundestagsfraktion, Andreas Stoch. Die Fälle waren jedoch kürzlich von etwa 2000 auf etwa 1750 zurückgegangen.
Hatte Loutsa am Ende recht? Das Land will die Gesundheitsbehörden beruhigen
Auch die Grünen und die CDU wollen die Gesundheitsämter bei der Überwachung der Pandemie in naher Zukunft beruhigen. „Bereits heute müssen die konzeptionellen Grundlagen für das weitere Vorgehen nach der fünften Welle gelegt werden – insbesondere mit Blick auf die Überwachung des Infektionsgeschehens, einen einheitlichen Rahmen für die Isolations- und Teststrategie“, sagte er. Das entspricht in etwa der Initiative von Sozialminister Manne Lucha (Grüne) von vergangener Woche – einen konkreten Termin, wann es hier eine Änderung geben könnte, nennt die Koalition allerdings nicht. Luca hatte Lauterbach in einem Brief gebeten, Ende April den Wechsel von der Pandemie- in die Endemie-Phase anzukündigen, um auch die Gesundheitsämter zu beruhigen. Dies hätte weitreichende Folgen. Das Coronavirus wird dann als Influenzavirus eingestuft, praktisch ohne Tests und ohne obligatorische Quarantäne. Nachdem sich Kretsman von Lutsa distanziert hatte, trat der Minister zurück. „Niemand hat seine Hose gesehen“, sagte der Premierminister am Dienstag. Aber es wäre gut, wenn Loutsa den Brief mit ihm besprochen hätte, um Verwirrung zu vermeiden.