Über eine Stunde lang war es eine gelungene Show der DFB-Elf beim ersten echten Meilenstein in der Flick-Ära. Im zweiten Durchgang geriet das deutsche Team jedoch unter Druck der Gegner und verhinderte glücklicherweise die erste Niederlage.

Weitere Fußballthemen finden Sie hier Die Siegesserie von Hansi Flick ist vorbei, aber der Glaube an eine erfolgreiche WM bleibt. Nach langem dominantem Auftritt im Prestigeduell mit dem alten Rivalen Niederlande war das 1:1 (1:0) in Amsterdam am Ende ein gerechtes Ergebnis. Nach dem 43. Länderspieltor von Thomas Müller (45.+1) hätte David Raum bei einer Großchance gleich nach der Pause auf 2:0 ausbauen können. Als die Niederländer das Feuer legten, brauchte auch das deutsche Team Glück. Kurz nach dem Ausgleich von Steven Bergwain (68.) nahm der englische Referee Craig Pawson einen Elfmeter nach einem Video glücklich zurück. Thilo Kehrer traf den holländischen Stürmer Memphis Depay beim Klärungsversuch im Strafraum am Bein. Das Unentschieden am Ende war glücklich. Auch wenn Flick in seinem neunten Spiel als Bundestrainer erstmals keinen Sieg feiern konnte, darf er sich an diesem Freitag in der katarischen Hauptstadt Doha auf die Auslosung der WM-Gruppen freuen. Vier Jahre nach dem Qualifikationsspiel in Russland braucht das DFB-Team keine Angst vor einer schwierigen Gruppe zu haben.

Erster großer Test der WM für Deutschland

Beim ersten großen Test der WM vor rund 50.000 Zuschauern musste die deutsche Mannschaft lange Top-Ausfälle hinnehmen. Im Bayern-Block fehlten mit Kimmich, Goretzka, Süle und Gnabry vier mögliche Stammspieler. Flick hat neue Optionen geschaffen wie U21-Europameister Nico Schlotterbeck und David Raum in der Abwehr oder Jamal Musiala. Das Bayern-Talent spielte frech auf Kimichs Position im defensiven Mittelfeld und bereitete Müllers Tor vor. Der 32-Jährige zog in der Liste der ewigen DFB-Torschützen mit Ehren-Kapitän Uwe Seeler gleich. „Wir wollen zurück an die Spitze der Welt“, sagte Flick, drückte damit einen Anspruch auf das „Kriterium“ gegen den ewigen Widersacher aus und forderte ein mutiges Auftreten. Das wurde dem Trainer auch von seinem Team angeboten. Der ehemalige Bayern-Trainer zeigte zudem, dass die deutsche Mannschaft unter Druck fehleranfällig ist. Von einem Freundschaftsspiel war keine Rede. In einem intensiven Spiel agierte die schwarze DFB-Auswahl zunächst hochkonzentriert. Die oft für ihre Offensivqualitäten gelobten Niederländer saßen immer wieder mit Hochdruck im eigenen Strafraum fest. Im Gegenteil, Oranje lauerte – sehr ungewöhnlich – auf einen Konter. Flick hatte mit seiner Komposition bereits das Zeichen gesetzt. Stürmer Musyala verdrängte Kimich auf Platz sechs und wusste zu überzeugen. Der 19-Jährige leitete nicht nur den Führungstreffer ein, sondern löste seine Aufgabe – so technisch, mal körperlich – auch sehr gekonnt. Der Bundestrainer hatte für das deutsche Spiel im Vergleich zum 2:0-Sieg gegen Israel die größere Stärke der Bayern benannt. Manuel Neuer stand wieder im Tor, während Miller und Leroy Sané in die Startelf zurückkehrten. Nach einem schönen Zusammenspiel schufen Müller und Sané in der zwölften Minute auch die erste Torchance für den DFB.

Oranjes Defensivstars boten nicht viel Platz

Allen Bemühungen zum Trotz boten Oranjes Defensivstars um Virgil van Dijk nicht viel Platz. Die Latte von Timo Werner würde wegen einer vermeintlichen Abseitsstellung ohnehin nicht zählen (21.). Erst die letzte Aktion im Hinspiel brachte die Führung des DFB. Werner hat Mousiala großgezogen. Seine scharfe Hereingabe klärte Tyrell Malacia in die Mitte, wo Müller erneut gefährlich wurde. Mit seinem 43. Länderspieltor punktete Müller punktgleich mit Seeler und steht nun auf Platz acht der DFB-Ewigenliste der besten Torschützen aller Zeiten. Deutscher Rekordtorschütze ist Miroslav Klose mit 71 Treffern. Und orange? Die Gastgeber schienen sich oft in dem zu verlieren, was er im Gesicht von Louis van Gaal sah. Pech hatte auch Donymund Donyell Malen. Bei einer guten Konterchance spielte der Stürmer einen scharfen Pass auf Malasia (19.), der erneut ins Aus schoss (35.). Doch die deutsche Abwehr lief lange gut. Antonio Rüdiger sorgte in seinem 50. Länderkampf für Stabilität und auch Neuzugang Schlotterbeck wusste seine zweite Chance in vier Tagen zu nutzen. Die Freiburger gehören zu den Gewinnern des ersten internationalen Blockrennens im WM-Jahr. Auch Hoffenheims David Raum zeigte Wirkung und der Verteidiger konnte sogar das erste Länderspieltor erzielen. Nach einem Traumpass von Sane vergab Raum eine Riesenchance (47.) vor Freiburgs Oranie-Schlussmann Mark Flecken. Aber mit der Führung im Rücken war das deutsche Spiel noch vergnüglicher, noch prägnanter. Die DFB-Elf wollte das Ergebnis nicht managen, sondern suchte die Entscheidung. Die mangelnde Konsequenz im Fazit sollte gerächt werden. Nach einem langen Ball drehte Denzel Dumfries den Kopf, um Bergwayne zu ersetzen, der den Ball ins Tor schoss. Danach hatte der viermalige Weltmeister Glück, dass der englische Referee Pawson einen Foulelfmeter für die Niederländer herausholte (73.). Denn Thilo Kehrer hatte Memphis Depay beim Klärungsversuch gegen das Bein getreten. Bei einer weiteren Großchance der Niederländer rettet Sloterbek auf der Linie (82.). Es war eine schwierige Phase für die Auswahl des DFB, die dem Bundestrainer einige Denkanstöße gegeben haben dürfte. (dpa/fra)