Norbert Kleinwaechter hat es am Dienstag auf die Tagesordnung der AfD-Bundestagsfraktion gesetzt, der er als Stellvertreter vorsteht. Seine 17 Parteikollegen fordern harte Ordnungsmaßnahmen gegen ihn: ein dreimonatiges Redeverbot für kleine Wachen im Bundestag und einen Verweis durch die Fraktion. Kollegen werfen ihm in der bei t-online vorliegenden Beschlussvorlage unter anderem “grobe Parteilichkeit und parteiisches Verhalten” vor. Was hat Little Warden getan? Seine Parteikollegen zählen vier Delikte auf. Aus Sicht seiner Staatsanwälte wohl der gewalttätigste von allen: Kleinwächter ging aus Protest gegen eine Rede seines Parlamentskollegen Steffen Kotré aus dem Plenum und schrieb anschließend auf Twitter, er habe „sich von seiner ekelhaften Propaganda entfernt“. Kotre im Bundestag. . Er forderte Konsequenzen für Kotre.
Bücher und Kopfschütteln von den anderen Parteien
In seiner Rede am 25. März verurteilte Kotre kurz die russische Invasion in der Ukraine, sprach dann aber von “westlicher Komplizenschaft”, Biowaffenlabors in der Ukraine und US-Denkfabriken, die Russland angeblich destabilisieren wolle. Narrative und falsche Behauptungen, mit denen der russische Präsident seinen Krieg gegen das Nachbarland rechtfertigt. Die anderen Parteien reagierten auf Kotrés Rede mit Summen und Kopfschütteln. In der AfD zeigen sich öffentlichkeitswirksame Proteste gegen das eigene Volk, wie es Kleinwächter wagte, jedoch nur ungern. „Kleinwächter sorgt für ‚negative Berichterstattung‘ in ‚eher feindseligen Medien‘ der AfD“, schrieben seine Kollegen. Kremlbesuch von Fraktions- und Parteichef Tino Chrupalla (rechts) im Kreml im Dezember 2020: Das Treffen mit dem russischen Außenminister Lawrow habe ihn „verwischt“, sagt ein AfD-Abgeordneter. (Quelle: ITAR-TASS / imago images)
Putins “Kronzeugen” im Bundestag
Die AfD hat solche wie Cotre in ihren Reihen. Abgeordnete, die gerne geschäftlich nach Russland oder auf die Krim reisen, den Austausch mit dem Putin-Regime suchen – oder seine Propaganda unterstützen, ohne überhaupt zu reisen. AfD-Politberater und Experte Johannes Hillje nennt sie “nützliche Putin-Idioten, deutsche Erzähler der Kriegspropaganda, Putin-Papageien und Kronzeugen im Bundestag”. Einige von ihnen fielen während der Corona-Krise mit irrationalen Falschmeldungen auf, die den Frust und die Empörung über die Politik in der Bevölkerung schürten. Jetzt verbreiten sie Putins Lügen. Da ist Markus Frohnmaier, der 2018 gegenüber dem russischen Staatsfernsehen die Annexion der Krim durch russische Truppen rechtfertigte. Laut einer Recherche des Magazins Frontal soll sich ein Duma-Funktionär im Wahlkampf dafür eingesetzt haben, Frohnmaier zu unterstützen, um einen Mann im Bundestag zu finden, der das tut “gehört uns und wir haben die vollständige Kontrolle über ihn.” Frohnmaier bestreitet die Vorwürfe. Markus Frohnmaier: Der Abgeordnete aus Baden-Württemberg gilt als Repräsentant des radikalen Lagers in der AfD – nicht nur, wenn es um Russland geht. (Quelle: Eibner / Bilder imago) Da ist Eugen Schmidt, der nach Kriegsbeginn auch im russischen Staatsfernsehen auftrat und behauptete, in Deutschland gebe es keine Meinungsfreiheit, keine Demokratie, die Medien würden kontrolliert und Andersdenkende gewaltsam verfolgt. Da ist Robert Farle, der sich auf seinem YouTube-Kanal darauf konzentriert, die deutschen Medien für Kriegslust und Propaganda verantwortlich zu machen. Da ist der außenpolitische Sprecher der AfD-Bundestagsfraktion Petr Bystron, der am 11. März in einer Pressemitteilung vor den Gefahren von US-Biolaboren in der Ukraine warnte. Alle haben den Vorschlag unterschrieben, Kleinwächters Rede im Bundestag für drei Monate zu verbieten. Eugen Schmidt: Er trat im russischen Staatsfernsehen auf und behauptete immer wieder, es gebe keine Demokratie in Deutschland. (Quelle: Metodi Popow / imago images) Schließlich ist da noch der AfD-Chef Tino Chrupalla, Alleinvorsitzender der Bundespartei und Ko-Vorsitzender der Bundestagsfraktion, der sich drei Tage nach Kriegsbeginn in einer Rede vor dem Bundestag bei Moskau bedankte und „an die Russischer Beitrag zu Deutschland und Europa”. Obwohl er vom Angriff auf die Ukraine kurzzeitig enttäuscht war, sprach er später von “deutsch-russischer Freundschaft” – und warf nicht Putin, sondern Bundeskanzler Olaf Solz vor, den Kalten Krieg wieder angeheizt zu haben.
Der Trick: „Rhetorik der Gegenseitigkeit“
Putins Freunde in der AfD folgen oft dem gleichen Argumentationsmuster: Sie verurteilen Russlands Angriffskrieg – meist mit einem einzigen Satz – um dann größeres Verständnis für russische Positionen zu zeigen. Sie werfen insbesondere dem Westen und der Nato Versäumnisse vor und rechtfertigen damit indirekt Putins Vorgehen. Experte Johannes Hillje sieht in dieser Argumentation einen Trick und nennt sie “rhetorische Reziprozität”. Weil die Mehrheit in Deutschland Putins Krieg derzeit klar ablehnt, versucht man mit dem schwer angreifbaren “und-und”: “Irgendjemand verurteilt den Angriffskrieg, aber dann gibt es oft ein Verständnis für Russland.” Laut Hillje gibt es zwei Hauptgründe für diesen Ansatz. Einerseits hat die AfD viele Wähler in der russlanddeutschen Community, die an ihr festhalten wollen. Auf der anderen Seite gebe es ideologische Motive: „Die Anti-NATO-Haltung zu Putins Autoritarismus, seine Verachtung der freien Medien, sein Auftreten als mächtiger Führer – was dem rechten autoritären Weltbild und der Elitenkritik entspricht, die dazugehören der AfD-Identität”.
Nicht nur die kleinen Rebellenwächter
Nicht nur das, mit Hilfe von Kleinwächter bekommt man genug von diesen Relativismen und Fake News. Rüdiger Lucassen, Verteidigungsexperte der Bundestagsfraktion und bis vor kurzem auch Landesvorsitzender der AfD in Nordrhein-Westfalen, warnte im Gespräch mit der „taz“: „Wenn solche Leute weiter Fakten leugnen und Frust verbreiten, tut das weh. ” Das machte auch Joana Cotar, die digitalpolitische Sprecherin der Fraktion, im Gespräch mit t-online deutlich: Sie sei in Rumänien geboren und wisse sehr genau, was es heißt, „unter der Fuchtel Russlands“ zu leben. Es kann jedes Land verstehen, das versucht zu fliehen. Cotar glaubt, dass jetzt Klarheit nötig sei: “Wir sehen einen Angriffskrieg Russlands, in dem Zivilisten getötet werden – da gibt es keine Relativierung.” Die Haltung mancher in der AfD, aber auch in anderen Parteien sei “unerträglich”. “Jeder Partei- und Fraktionsvorsitzende muss an den Tisch klopfen, um Klarheit zu schaffen.” Joana Cotar: Sie sieht sich als gemäßigt-konservative Sprecherin der AfD. (Quelle: Future Image / imago images) Aber das kann bei der AfD natürlich nicht passieren. Für die Sitzung der Bundestagsfraktion am Dienstagnachmittag wurden weitere Anträge auf Regulierungsmaßnahmen für Russland gestellt, die auch auf t-online abrufbar sind. Die beiden Lager überschwemmen sich gegenseitig mit Disziplinarandrohungen. Sie gehen sehr ins Detail, Abgeordnete werfen sich gegenseitig mal schweres, mal weniger schweres Fehlverhalten vor. Dabei verwenden sie oft die gleichen Argumente: Die Gegenseite vertritt öffentliche Positionen, die der offiziellen Entscheidungsposition der Partei und der Fraktion zuwiderlaufen.
Weidel fehlt oft, Chrupalla überarbeitet?
Nur in einem Punkt sind sich viele in beiden Lagern einig: Die aktuelle tiefe Zerrissenheit in der AfD ist nur möglich, weil Fraktions- und Parteiführer nicht aktiv werden. Genießerführerin Alice Weidel steht weniger im Fokus der Kritik. Hinter verschlossenen Türen heißt es, sie habe die intensivsten Diskussionen schon lange auf ganz einfache Weise vermieden – in ihrer Abwesenheit. Schwerer trifft die Unzufriedenheit Tino Chrupalla, den Partei- und Fraktionsvorsitzenden in der Personalunion. Für die Neuwahl des Parteivorstands im Juni gilt sie seit langem als „eingerichtet“ – und das mangels Alternativen. Aber davon ist jetzt nichts mehr zu hören. Auch Abgeordnete, die sich lange für ihn ausgesprochen haben, stellen sich in der Hintergrunddebatte klar gegen ihn. Alice Weidel und Tino Chrupalla (Mitte): Die Führung der Fraktion ist in den eigenen Reihen heftig kritisiert worden. (Quelle: Zukunftsbild / F. Kern / imago images) „Leistung“ und „verzweifelt überwältigt“ sind mittlerweile die häufigsten Beschreibungen, die auftauchen, wenn wir nach Chrupalla fragen. Auch seine Reise nach Russland im Dezember 2020, bei der Chrupalla mit dem russischen Außenminister Lawrow zusammentraf, hat ihn stark beeindruckt, ja sogar „verwischt“, wie ein Abgeordneter sagte. Eine Anfrage von t-online zu mutmaßlichen russischen Kriegsverbrechen und der Haltung der AfD zum Krieg in der Ukraine durch den Vertreter Chrupallas blieb unbeantwortet. Für die Nachmittagssitzung der Fraktion kündigten Weidel und Cruppalla ihren Debattenbeitrag an, Punkt 6 steht vor den Debatten zwischen den Fronten auf der Tagesordnung. Wichtig sollte sein, dass es im Plural steht: „Positionen für den Krieg in der Ukraine“.