Moskau will für sein Gas in Rubel bezahlt werden oder Lieferungen einstellen. Das sagte zumindest der Kreml. Die Umsetzung dieses Schrittes sollte jedoch nicht nur den westlichen Ländern Probleme bereiten. „Keine Zahlung – kein Benzin“: Mit dieser Aussage drohte Kreml-Sprecher Dmitri Peschkow am Montagabend mit einer möglichen neuen Eskalation im Konflikt mit westlichen Staaten. Der russische Präsident Wladimir Putin hat zuvor entschieden, dass “unfreundliche” Staaten – darunter der Kreml und die Schweiz – Gas nur gegen Zahlung in Rubel erhalten sollen. Durch das Handeln könnte Russland nicht nur seine eigene Währung stützen, sondern den westlichen Ländern auch zeigen, dass sie ihre eigenen Sanktionen auf diese Weise umgehen sollten. Infolgedessen haben bereits verschiedene Staats- und Regierungschefs Putins Antrag mit der Begründung abgelehnt, dass der Schritt einen Bruch der Konvention bedeuten würde.
Das Gas strömt immer noch unkontrolliert
Trotz der Ankündigung des Kremls liefert Russland jedoch weiterhin große Mengen Erdgas über die Ukraine nach Europa. Wie in den Tagen zuvor würden am Dienstag 109,5 Millionen Kubikmeter Gas durch das Pipelinesystem gepumpt, sagte der Energieriese Gazprom Sergei Kuprianov laut Interfax. Dies entspricht der herkömmlich möglichen maximalen täglichen Nutzung.
Eine Unterbrechung der Gaslieferungen würde jedoch nicht nur die europäischen Länder hart treffen, sondern auch Russland, denn Putin könnte die Kriegsmaschinerie und den Staatshaushalt wohl nur mit Hilfe gigantischer Energieeinnahmen aufrechterhalten. Anfang März wurden laut “Manager Magazin” durchschnittlich 660 Millionen Dollar aus der EU an russische Gasunternehmen überwiesen – täglich.
Gasförderanlage auf der Halbinsel Gydan in Westsibirien.
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Ob Russland seine Drohung, die Gaslieferungen einzustellen, tatsächlich wahr macht, ist schwer vorherzusagen. Technisch ist es jedenfalls kein Problem, plötzlich den Gashahn zuzudrehen, wie Dominik Möst, Professor für Energiemanagement an der TU Dresden, dem Mitteldeutschen Rundfunk erklärte. Dazu muss lediglich ein Ventil im Regelwerk geschlossen werden. „Das geht relativ schnell und dann schließt die Leitung“, sagt Möst.
China wird wahrscheinlich einen Teil seines Gases kaufen
Fraglich sei in diesem Fall allerdings, so der Experte, was Russland mit all dem geförderten Erdgas als nächstes mache. Speicherkapazität ist nicht verfügbar. „Ein Teil der Mengen wird sicher in China Abnehmer finden“, sagte Möst. Eine vollständige Umleitung der wertvollen Ressource auf andere Kanäle ist jedoch ebenfalls nicht möglich. Natürlich könne auch Russland das Gas in die Atmosphäre entweichen lassen, sagt Möst. Allerdings ist das wohl eher eine theoretische Wahl, denn am Ende zerstört man im großen Stil seine eigenen Werte. Der Wissenschaftler vermutet, dass Russland nach wie vor ein Interesse daran hat, bestehende Verträge zu bedienen, um riesige Einnahmen zu erzielen. Er sagte jedoch: “Letztendlich kann man Herrn Putin nicht auf den Kopf schauen, deshalb denke ich, dass es eine gute Idee ist, so viel wie möglich Vorsichtsmaßnahmen zu treffen.” Auch in Europa müsse man fragen, ob sich ein Boykott des russischen Gases leisten könne, sagt Möst. Die bisher aus Russland zugekauften Mengen sind so groß, dass sie zumindest kurzfristig nicht vollständig ersetzt werden können.
Die direkte Abhängigkeit der Schweiz ist relativ gering
Die ehemalige Energieministerin Doris Leuthard hält hierzulande einen ähnlichen Schritt für möglich. “Der Schweiz könnte ein Öl- und Gasboykott gegen Russland drohen”, sagte Leuthard aus der Schweiz am Wochenende. Leuthard sagte in ihrer Einschätzung, dass die Schweiz in ihrer Abhängigkeit von russischen Energielieferungen deutlich besser aufgestellt sei als etwa Deutschland. Gas macht nur zwischen 14 und 15 Prozent des Schweizer Energiemixes aus. Die Hälfte davon komme aber laut Leuthard aus Russland. Dieses Teil “könnte ersetzt werden”, sagte er zuversichtlich. Die Folgen sind jedoch höhere Preise für private Haushalte und natürlich auch für viele Unternehmen, deren Wettbewerbsfähigkeit darunter leidet. Aber auch große Einkaufszentren in Genf, Zug, Lugano und Zürich werden von einem Boykott oder einem Einfrieren der russischen Gas- und Öllieferungen betroffen sein. Laut einem Bericht der Schweizer Botschaft in Moskau vom November 2021 werden hier rund 80 Prozent des Warenhandels Russlands abgewickelt. Mit Material der Nachrichtenagenturen dpa und Keystone-SDA