Stand: 30.03.2022 00:40 Uhr                 

Wie viele Vermögenswerte wurden von Banken in Deutschland im Rahmen von Sanktionen gegen russische Unternehmen und Privatpersonen eingefroren? Die Bundesregierung nennt nun erstmals eine Zahl – die manche als „deprimierend“ einstufen. Von Philipp Eckstein, ARD-Hauptstadtstudio

Die Bundesregierung hat erstmals eine Zahl darüber veröffentlicht, wie viel Geld bisher in Deutschland im Zusammenhang mit Sanktionen gegen russische Unternehmen und Privatpersonen blockiert wurde. Demnach haben die heimischen Banken bis zum 21. März insgesamt 95.514.306,40 Euro eingefroren. Dies bedeutet, dass die Eigentümer nicht auf diese Gelder zugreifen und beispielsweise keine Überweisungen oder Abhebungen vornehmen können. NDR Philipp Eckstein Logo des ARD-Hauptstadtstudios

Informationen zum ersten Mal

Die Zahl wurde von der Deutschen Bundesbank erhöht. Das teilte das Bundesfinanzministerium auf Anfrage einem Abgeordneten des linken Bundestages mit. Das ARD-Hauptstadtstudio hat die Antwort.

Es ist das erste Mal, dass die Bundesregierung seit Inkrafttreten der Sanktionen Ende Februar Angaben zu gesperrten Vermögenswerten gemacht hat. Bisher haben die zuständigen Ministerien und die Bundesbank dazu keine Fragen beantwortet. Schon jetzt heißt es in der Antwort, dass weitere “Details, einschließlich geschäftlicher Erkenntnisse, nicht offengelegt werden können”.

Frankreich fordert 850 Millionen Euro

In anderen Ländern gehen die Regierungen manchmal offener mit Informationen über beschlagnahmte und eingefrorene Vermögenswerte im Zusammenhang mit Russlands Invasion in der Ukraine um. Der französische Finanzminister Bruno Lemerre etwa sagte vor einer Woche in einem Interview, sein Land habe bereits rund 850 Millionen Euro zugesagt. Davon wurden 150 Millionen Euro auf Konten eingefroren, die restlichen Millionen betrafen beschlagnahmte Yachten und beschlagnahmtes Eigentum.

Auch in Italien wurden Vermögenswerte in Höhe von mehreren hundert Millionen Euro beschlagnahmt. Medienberichten zufolge sollen es in Belgien bereits rund zehn Milliarden sein.

„eher nüchtern“

Im Vergleich dazu seien die geschätzten 95 Millionen Euro in Deutschland “eher enttäuschend”, sagt Konrad Duffy von der unabhängigen Interessengemeinschaft Bürgerbewegung Finanzwende. In jedem Fall ist davon auszugehen, dass weitere Vermögenswerte von Sanktionsbeteiligten aus Russland nach Deutschland gelangen.

Gleichzeitig betont Duffy, dass die Zahl nur das widerspiegelt, was die Banken gemeldet haben. Echte Eigentümer von Yachten, Immobilien oder Kunstwerken werden oft als Briefkastenfirmen getarnt. Er hoffe, dass es nicht nur „eine Nummer von der Bundesbank“ gebe, sondern dass die Bundesregierung bald „weitere Erfolge“ bei solchen Vermögenswerten vermelden könne.

Der Linke-Bundestagsabgeordnete Pascal Meiser wollte von der Bundesregierung wissen, wie hoch das Gesamtvermögen von sanktionierten Privatpersonen und Unternehmen in Deutschland sei. Die Frage bezieht sich also nicht nur auf Bankkonten, sondern beispielsweise auch auf Immobilien, Autos oder Yachten. Der Abgeordnete wollte auch wissen, was bereits eingefroren oder beschlagnahmt worden sei.

Details will die Regierung nicht nennen

Mit Ausnahme der Nummer der Bundesbank will die Bundesregierung dazu keine Informationen veröffentlichen. Gegenüber den Abgeordneten sagte der Parlamentarische Staatssekretär im Finanzministerium, Florian Toncar: „Die Bundesregierung ist nach reiflicher Überlegung zu dem Schluss gekommen, dass die angeforderten Informationen einen solchen Schutz benötigen, dass angesichts des Möglichen auch ein geringes Risiko bekannt wird Schäden können nicht akzeptiert werden“.

Auch “die Übermittlung der angeforderten Informationen an den Geheimdienst des Deutschen Bundestages” komme daher nicht in Frage, so der FDP-Politiker Toncar. Bei Bekanntwerden der Informationen wäre der Erfolg der „im europäischen Kontext beschlossenen Sanktionsmaßnahmen besonders gefährdet“.

Den Linken-Politiker Meiser überzeugt diese Argumentation nicht. Dem ARD-Hauptstadtstudio sagte er, er brauche als Bundestagsabgeordneter mehr Informationen über das Vermögen von sanktionierten Privatpersonen und Unternehmen in Deutschland. „Entweder bremst die Bundesregierung, weil sie die Informationen nicht offenlegen kann, oder sie gibt sie offen, weil sie sie nicht hat.“ Letzteres wäre laut Meiser eine Katastrophe.

Task Force bisher ohne Ergebnisse

Seit Inkrafttreten der Sanktionen wird immer wieder kritisiert, dass insbesondere gegenüber den in Deutschland sanktionierten Oligarchen nicht schnell genug entschieden oder gehandelt wurde. Wohl auch deshalb hat die Bundesregierung Mitte März eine Task Force zur Durchsetzung von Sanktionen eingesetzt. Diese Arbeitsgruppe hat die Aufgabe, die Arbeit vieler an der Umsetzung von Sanktionen in Deutschland beteiligter Ministerien und Behörden zu koordinieren. Zunächst spielte das Bundeskanzleramt eine zentrale Rolle.

Nach Informationen des Hauptstadtstudios ARD hat sich die Linie seither mehrfach geändert. Die Bundesregierung hat dazu Fragen offen gelassen. Zuständig sind nun das Bundesministerium der Finanzen und das Bundesministerium der Finanzen. Beide Ministerien gaben kürzlich bekannt, dass die Task Force ihre Arbeit aufgenommen hat, bisher aber noch keine Ergebnisse gemeldet hat.