Die CDU war fast ein Vierteljahrhundert lang die stärkste Kraft im Saarland. Nun kann es zu einem Führungswechsel kommen. Ob der Dritte in der GroKo-Reihe – nur mit vertauschten Rollen – regieren wird, hängt auch von den kleinen Parteien ab.

Auch wenn sie es waren – die großen Veranstaltungen auf den großen Plätzen mit den großen Köpfen: Insgesamt war es ein eher schleppender Landtagswahlkampf. Das lag auch am Coronavirus. Vor allem aber der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine, der in den Wochen vor der Wahl den saarländischen Parteien ein Dauerthema machte. Wie viel Parteipolitik, wie viel Wahlkampf ist möglich, wenn in Europa Bomben fallen? Zumal der Krieg auch den Wahlkampf zumindest teilweise in den Fokus gerückt hat – weg vom Saarland hin zu Krieg und Frieden. Ή erhöhte Energie- und Benzinpreise.

Für den bestehenden ist es alles

Einer machte hier besonders Schlagzeilen: Ministerpräsident und CDU-Spitzenkandidat Tobias Hans. Sein Video von seinen verhedderten Haaren vor einer Tankstelle, in dem Hans die Benzinpreise „einfach verrückt“ nennt und mit einem ungeschickten Satz angeblich andeutet, Niedriglöhne seien keine „hart arbeitenden Menschen“, ging viral. Es hagelte bundesweit Kritik und Häme.

Hans hatte sicherlich einen thematischen Punkt – aber insgesamt wirkte dieses Wahlkampfmanöver unausgereift, fast krampfhaft. Es ist gewissermaßen ein Beispiel für den Saar-CDU-Wahlkampf. Ein Wahlkampf, der wenige klare inhaltliche Linien hatte und desorganisiert wirkte. Und bei denen immer wieder grobe Schnitzer passiert sind.

Zudem scheint Hans – der smart, modern und zukunftsorientiert auftritt – es schwer zu haben, an die Urnen zu kommen. In einem Industrieland ist der Übergang zu einer klimafreundlicheren, digitaleren und diversifizierteren Wirtschaft unabdingbar. Doch diese smarten Knoten und der „Technologiekreis Saar“ sind die Wunderwaffe für einen erfolgreichen Strukturwandel: Das lässt sich nur schwer auf die ländlich geprägte Saarregion übertragen.

Vice will nicht mehr Vice sein

Ministerpräsidentin Anke Rehlinger hingegen scheint ihrem Ziel näher denn je, „Vize“ aus ihrer Berufsbezeichnung zu streichen. Der SPD-Spitzenkandidat, der zugleich Minister für Wirtschaft, Arbeit, Energie und Verkehr im Saarland ist, hat in den vergangenen Wochen bei jeder Gelegenheit betont, dass es bei der Landtagswahl um die Führung des Landes für die nächsten fünf Jahre gehe. Wer kann Arbeitsplätze erhalten und neue schaffen. Das hat sie in den letzten Jahren hinreichend bewiesen.

Abgesehen davon, dass Arbeitgeber und Gewerkschaften ihr Know-how in der Automobil- und Stahlbranche gleichermaßen schätzen, dürfte Rehlinger vor allem von ihrer persönlichen Popularität im Wahlkampf profitieren. Der Jurist und ehemalige Sportler gilt als praktisch, bodenständig und herzlich.

Und doch entsteht der Eindruck, Reichner könne Ministerpräsident werden wie Olaf Solz Bundeskanzler: einfach indem er keine Fehler macht. Indem wir mehr sind als ein konsequenter Kandidat mit einem Programm, das bereits Erreichtes weitgehend zusammenführt – und die richtigen Akzente setzt.

Doch auch für Rehlinger steht viel auf dem Spiel: Es ist ihr zweiter Anlauf im Kanzleramt. Mit dem aktuellen Saar-SPD-Flug in großer Höhe herrscht auch bei ihnen viel Erwartungsdruck.

Zwischen Abschied nehmen und gehen

Diese Fokussierung auf das Kanzlerduell erleichtert den kleineren Parteien den Wahlkampf nicht. Nach den neuesten Umfragen von Infratest dimap wird nur die AfD im Landtag vertreten sein. Eine Partei, in der es einer Gruppe von Mitgliedern gelang, die eigene Länderliste zurückzuziehen – nur um einen unerwünschten Spitzenkandidaten abzuschrecken.

Auch die Linkspartei und die Grünen haben sich in den vergangenen Monaten trotz ihrer politischen Gegner bekämpft. Während die Grünen im Wahlkampf zumindest nach außen geschlossen auftreten, sind die parteiinternen Auseinandersetzungen noch lange nicht beendet. Am Freitag gab Ralph Rouze, der im vergangenen Sommer fünf Tage lang Staatsoberhaupt war, seinen Rücktritt aus der Partei bekannt – nicht ohne schwere Vorwürfe gegen die aktuellen Kandidaten zu erheben. Zuletzt hatte Rouge zumindest in der Öffentlichkeit keine Rolle mehr gespielt.

Der Stil und das Timing erinnern sehr an einen anderen prominenten Parteiausstieg in der jüngeren Vergangenheit: den von Linken-Mitbegründer Oskar Lafontaine. Einen Tag nach seiner letzten Rede vor dem Saarlandtag kehrte Lafontaine seiner Partei erneut den Rücken – leiser als sonst. Aber mit scharfen Rügen und etwas Bitterkeit. Der langjährige Machtkampf zwischen Lafontaine und Präsident Thomas Lutz hat die Linke getroffen. Die Linkspartei könnte nun nach 13 Jahren aus dem Landtag verdrängt werden.

Und die FDP? Was die Grünen betrifft, ist das Saarland auch für die Liberalen kein einfaches Pflaster. Nach ihrem Ausstieg aus Jamaika vor zehn Jahren hat die Partei jedoch aufgeholt und kämpft langsam darum, an ihren Platz der politischen Bedeutungslosigkeit zurückzukehren. Ob es am Ende zum Wiedereinzug in den Landtag reicht, ist fraglich.

Dreiparteienparlament?

Die Landespartei im Saarland lässt eine Neuauflage der GroKo im Saarland nahezu alternativlos erscheinen. Hans wirbt seit Monaten offensiv für die Fortsetzung des Bündnisses – kein Wunder, wäre dies doch die einzige Chance für die CDU, in Regierungsverantwortung zu bleiben. Rehlinger hingegen spricht sich für große Koalitionen aus, schließt andere Bündnisse aber nicht aus. Ihre Situation: Stabilität.

Fraglich ist, ob dies seitens Rehlinger mit einer CDU möglich gewesen wäre, die – je nach Wahlergebnis – neu aufgestellt werden müsste. Aber auch bei den Grünen könnte es nach der Wahl wieder zu internen Auseinandersetzungen kommen.

Generell muss die Frage entscheidend sein, ob eine kleinere Partei den Landtag passieren wird. Vermutlich AfD. Und so könnte nach der Wahl die ohnehin schon mehr als komfortable Saar-GroKo-Mehrheit gefestigt werden, womöglich mit der AfD als einziger Oppositionspartei im Landtag. Auch Landtagswahlen könnten eine Herausforderung für den Parlamentarismus im Saarland werden. …