Bei diesem Flüchtlingszustrom dürften die Registrierungen besser funktionieren als 2015. Doch jetzt zeigen BR-Recherchen: Es gibt riesige Probleme bei der Datenübermittlung an den Bund.
Wenn man Dominic Wollenhaupt bei der Arbeit zuschaut, kann man sich kaum vorstellen, dass es Probleme bei der Registrierung gibt. Erfahren und freundlich klärt er die ukrainischen Flüchtlinge auf, was von ihnen gebraucht wird: biometrische Fotografie und Fingerabdrücke in allen Varianten.
Alleine das ist eine Herausforderung für das Team in der Augsburger Innenstadt. Wollenhaupt und seine Mitarbeiter müssen kyrillische Pässe entschlüsseln und kommunizieren oft mit Händen und Füßen, um an die Daten zu kommen. Meist funktioniert das. Was sie nicht in der Hand haben, ist Technik.
Landesweit defekte Technik
Erst kürzlich ist es wieder soweit: Ein angekündigtes Wartungsfenster hat früher als angekündigt begonnen. Und statt einer halben Stunde dauert es dreieinhalb Stunden. Wollenhaupt muss den laufenden Registrierungsprozess abbrechen. Flüchtlinge müssen zur Registrierung zurückkehren. “Ich kann die Leute nicht stundenlang warten lassen”, sagt er.
Defekte Technik ist laut BR Research ein nationales Problem. Die Erfassung mit biometrischen Fotos und Fingerabdrücken durch die sogenannten Personalisierungsinfrastrukturelemente – kurz PIK-Stationen – wurde massiv lahmgelegt. Schuld daran sind offenbar schwerwiegende Serverprobleme bei der Bundesdruckerei, die für die Datenübertragung zuständig ist.
60 Minuten für eine Person
Frank Kurtenbach kann darüber aus erster Hand berichten. Er leitet die Ankermontage in Augsburg. „Wir haben die PIK-Stationen und das Personal sowie die Anmeldezeiten verdoppelt“, sagt er. Daher soll sein Team mindestens dreimal so viele Leute einschreiben können wie bisher. Aber: „Oft führen wir weniger Leute als früher.“
Im Durchschnitt dauert es 30 bis 60 Minuten, bis sich nur eine Person über das PIK anmeldet, bestätigen mehrere Behörden im BR. „Wenn wir uns weiterhin in diesem Tempo über das PIK registrieren, wird die Kluft zwischen den Menschen, die zu uns kommen, und denen, die wir registrieren, immer größer“, sagt Kurtenbach. Mit anderen Worten, die Zahl der nicht registrierten Flüchtlinge wächst weiter.
Aber die Registrierung sei wichtig, sagt Kurtenbach, „weil sie viele Sicherheitsfragen aufwirft und wir erst durch die Registrierung eines PIK sicher wissen, wer bei uns ist.“ Beispielsweise werden Fingerabdrücke an das Bundeskriminalamt (BKA) übermittelt und dort verglichen.
„Wir müssen wissen, wer in unser Land kommt“
Deshalb besteht Bayern auf eine funktionierende PIK-Registrierung. „Wir müssen wissen, wer in unser Land kommt, auch um Flüchtlinge zu schützen: Wir müssen verhindern, dass Schmuggler, Menschenhändler oder andere Kriminelle die Situation ausnutzen“, sagte eine Sprecherin des Innenministeriums auf Anfrage. von BR.
Neben dem Sicherheitsaspekt verweist das niedersächsische Innenministerium auch auf die Erfahrungen „aus 2015 und den Folgejahren“. Das Ministerium spricht in diesem Zusammenhang unter anderem von mehrfachem Identitätsbetrug und Sozialleistungen. Nur mit einer vollständigen Registrierung „können wir zum Beispiel verhindern, dass jemand Mehrfachzahlungen von uns erhält“, sagt ein Bayer.
Rheinland-Pfalz: „Das System ist teilweise überlastet“
Laut BR klagen Ministerien in mehreren Bundesländern über Probleme mit PIK-Stationen. „Das System ist teilweise überlastet und es kommt häufig zu Ausfällen während der Arbeitszeit“, sagt Rheinland-Pfalz. Sachsen-Anhalt nennt „verschiedene Fehlerberichte, Datenverbindungsfehler und Update-Ausfallzeiten“. In Schleswig-Holstein musste das Landesamt die Registrierung von Flüchtlingen wiederholt stoppen, “weil sie nicht über PIK-Stationen registriert werden konnten”.
Die baden-württembergische Landesregierung habe die Bundesregierung daraufhin „wiederholt aufgefordert, die Anlagen zu stabilisieren und außerhalb der regulären Anmeldezeiten Wartungsarbeiten an der Anlage durchzuführen“. Schwierig ist nach Angaben der Kommunen auch der Telefonanschluss des Bundes bei Problemen.
Sehr wenige PIK-Stationen
Das Bundesinnenministerium hat sich bisher nicht zu den Vorwürfen geäußert. Systemausfälle seien nicht das einzige Problem, sagt Kurtenbach. Das von ihm betriebene Ankerzentrum in Augsburg wird von der schwäbischen Landesregierung betrieben. Deshalb kommen die Flüchtlinge nicht nur aus Augsburg, um sich anzumelden, sondern aus dem ganzen Landkreis. „Wir haben das Problem, dass nicht alle Regionen eine PIK-Station in Betrieb haben“, sagt Kurtenbach.
Auch Augsburg als größte Stadt des Landkreises hat kein eigenes Gerät. Und selbst dort, wo PIC-Stationen verfügbar sind, füllt die langsame Registrierung nicht die Lücke, die die vielen nicht registrierten Flüchtlinge hinterlassen haben.
Zu sehen ist dies beispielsweise im benachbarten Augsburger Landkreis Aichach-Friedberg. Dort wurden kürzlich zwei PIK-Geräte installiert. Daran müssen sich die Mitarbeiter aber erst gewöhnen. Dann gibt es die Übertragungsprobleme. Das Ergebnis: Von den 750 mit „ermäßigter Immatrikulation“ registrierten Flüchtlingen konnten nur zwölf in das PIC-System überführt werden.
Bayern nutzt diese subtile Form der “reduzierten Registrierung”, um zumindest Klarheit über die Identität zu haben. Eine umfassende Abklärung, beispielsweise durch das BKA, ist nicht erforderlich. Und die Notlösung hilft nur bedingt: Um eine zweijährige Aufenthaltserlaubnis zu erhalten, müssen sich alle Flüchtlinge über das PIK registrieren.