Der nächste Fall taucht in der ÖVP auf, diesmal vor Ort: In Vorarlberg überwacht die Finanzabteilung den Handel zwischen dem Wirtschaftsverband und dem Vertragsstaat. Der Wirtschaftsverband legte eine Selbstanzeige vor. Im Hintergrund sind das Werbekampagnen und eine mögliche Finanzierung der Volkspartei durch eine Zeitschrift der Wirtschaftsunion – auch aus Geldern im Einflussbereich des Staates. Der Fall betrifft auch einen Volkspartei-Hoffnungsträger: Im Zuge umfangreicher Ermittlungen der Finanz- und Korruptionsstaatsanwaltschaft galt auch Landeshauptmann Markus Wallner als Bundeswehr-Politiker.

Selbstauskunft

Am Montag bestätigte Wallner, was der “Standard” zuvor geschrieben hatte: Die Wirtschaftsunion erwähnte sich selbst. Dabei handelt es sich um Zahlungen der Wirtschaftsvereinigung an den Vertragsstaat, für die nach Ansicht der Wirtschaftsprüfer die Mehrwertsteuer hätte entrichtet werden müssen. Laut dem Präsidenten des Wirtschaftsbundes, Hans Peter Metzler, handelt es sich bei der Selbstanzeige nicht um ein Schuldanerkenntnis, sondern um eine „Vorsichtsmaßnahme“ auf Anraten des Steuerberaters, damit die Sache nicht im Finanzstrafrecht landet. Es sollte geklärt werden, ob „interne Spenden“ besteuert werden.

Die Zeitschrift

„Vorarlberger Wirtschaft“ heißt das Magazin der Wirtschaftsunion und wird seit einiger Zeit heftig kritisiert. Im vergangenen Jahr war bekannt geworden, dass der Geschäftsführer des Wirtschaftsbundes, Jürgen Kessler, in einer Doppelrolle agiert: Er ist Miteigentümer der Firma, die das Anzeigengeschäft verwaltet. Kessler musste damals seine Beteiligung an der Firma abgeben, seitdem erscheint das Magazin nicht mehr. Der Wirtschaftsbund hat kürzlich alte Versionen von seiner Seite gelöscht. Sowohl die Opposition als auch der Koalitionspartner Grüne kritisieren die Nutzung der „Vorarlberger Wirtschaft“ zur verdeckten Parteienfinanzierung. Das Magazin ist reich an Anzeigen, die zum Teil aus dem privaten Bereich, aber auch zu einem großen Teil aus dem öffentlichen und halböffentlichen Bereich stammen. Die Österreichische Krankenkasse und die Sozialversicherungsanstalt der Selbstständigen werben ebenso wie Landesbetriebe wie die Illwerke, der Vorarlberger Verkehrsverbund und die Hypo Vorarlberg. Die Handelskammer beliefert den Großteil des Magazins auch mit Anzeigen. Laut einer Erhebung der „Green Economy“ hat die Kammer 2019 Anzeigen in Höhe von 52.606 Euro geschaltet. Für den Zeitraum 2015 bis 2019 waren es 119.806 Euro. Inwieweit die Anzeigen der Unternehmen im Einflussbereich des Landes liegen, ist nicht bekannt. Eine Anfrage der SPÖ an den Landtag wurde nur zaghaft beantwortet. Auch ist nicht bekannt, wie viel die Landespartei an den Gewinnen des Magazins erhält. Landeshauptmann Wallner verwies auf die Jahresberichte seiner Partei zu diesem Thema. Allerdings weisen sie alle Einnahmen aus der wirtschaftlichen Tätigkeit der Partei nur gebündelt aus – und sind zudem überholt. Für die ÖVP liegt der Jahresbericht 2019 noch nicht vor. Laut Online-Blog „Die Substanz“ waren es zwischen 2014 und 2018 2,1 Millionen Euro – was bei Parteienfinanzierungen von 1,2 Millionen Euro pro Jahr einen erheblichen Anteil der ÖVP-Landesfinanzierung darstellt.

Parteienfinanzierung

Der Fall zeigt einmal mehr die Rolle der Kammern bei der Parteienfinanzierung in Österreich. Während die SPÖ von ihren jeweiligen Fraktionen in Arbeiterkammer und Gewerkschaft profitiert, fließen die Gelder in der Wirtschaftskammer hauptsächlich an die PVP. Und das ist wichtig: 20 Millionen Euro sind Fraktionsförderung, davon sollen mindestens zwei Drittel an den ÖVP-Wirtschaftsverband gehen. Genaue Details werden nicht veröffentlicht. Doch es gebe noch weitere versteckte Subventionen, sagt Sabine Jungwirth, Leiterin der Grünen Wirtschaft: Kammern schütten 24 Millionen Euro an ihre Mitarbeiter aus. Üblich ist, dass zehn Prozent als Betriebsgebühr an die jeweiligen Fraktionen abgegeben werden. Das wären weitere 2,4 Millionen Euro. Und auch bei der Fraktionswerbung ist Vorarlberg kein Einzelfall. Zeitschriften dieser Art gibt es in vielen Bundesländern und auch Anzeigen der jeweiligen Landeskammern oder Landesregierungen sind dort üblich. Oberösterreichs Landeswirtschaftsrat Markus Achleitner hat soeben eine ganzseitige Anzeige im Wirtschaftsbund-Magazin „Wirtschaft im Blick“ veröffentlicht – und wurde gleich interviewt. [SDKLA] (“Die Presse”, gedruckte Ausgabe, 30. März 2022)